Lange war die Entwicklung TV-Gruppe Pro Sieben Sat 1 eine einzige Erfolgsgeschichte, die das Münchner Medienunternehmen sogar in den Dax geführt hat. Nun muss der Konzernchef Thomas Ebeling vorzeitig im Februar nächsten Jahres gehen.

München - Er war der Medienmanager, der die Münchner TV-Gruppe Pro Sieben Sat 1 von einer langen Leidensgeschichte befreit und 2016 in den Dax geführt hat. Weil aber meist der letzte Eindruck hängen bleibt, könnte Thomas Ebeling als der Konzernchef in die Geschichte eingehen, der sein Publikum übel beschimpft hat. „Etwas fettleibige und ärmliche Menschen, die gern auf der Couch sitzen, sich zurücklehnen und unterhalten lassen“, hatte der 58-Jährige jüngst gegenüber Analysten seine Kernzielgruppe beschrieben. Nach einer Sitzung des Aufsichtsrats von Pro Sieben Sat 1 am Wochenende hat der gebürtige Hannoveraner nun seinen Rücktritt für den Tag nach der Bilanzvorlage am 22. Februar 2018 erklärt. Sein Vertrag wäre noch bis Mitte 2019 gelaufen. Konzernoberaufseher Werner Brandt verabschiedete Ebeling mit warmen Worten, was eher seinem Gesamtwerk als den letzten Monaten geschuldet sein dürfte. Der seit Anfang 2009 an der Spitze der Münchner stehende Manager, sei eine „herausragende Unternehmerpersönlichkeit“, lobte Brandt.

 

Verbaler Ausrutscher brachte das Fass zum Überlaufen

Der Publikumsbeschimpfung allein war der Abgang nicht geschuldet. Dieser verbale Ausrutscher war eher der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Schon das ganze Jahr über laufen die TV-Werbeeinnahmen branchenweit nicht so wie erwartet. Ebelings Äußerungen zur Optik und den finanziellen Verhältnissen seiner Zuschauer war nicht angetan, Werbekunden aus der Reserve zu locken. Sie sollen dem Vernehmen nach vielmehr befremdet auf diese Äußerungen reagiert haben. Zudem läuft beim einzigen Medienkonzern Dax noch einiges andere schief. Mehrmals mussten dieses Jahr Prognosen korrigiert werden, was einen massiven Kursverfall zur Folge hatte. Um ein Drittel ging es in den vergangenen Monaten mit der Medienaktie bergab. Gegenüber ihrem historischen Höchststand von rund 50 Euro hatte sich der Wert halbiert. Auch die jetzige Reaktion der Börse ist deutlich. Um knapp vier Prozent ist das Papier nach Bekanntwerden von Ebelings Abgang spontan geklettert.

Kredit bei Werbekunden und an der Börse verspielt

Der 58-Jährige hatte nicht nur bei Werbekunden sondern auch an der Börse Kredit verspielt. Denn er hatte es mit der Konzentration auf digitale Aktivitäten abseits des TV-Kerngeschäfts übertrieben. Seit einigen Jahren kaufen und verkaufen die Münchner Dating- oder Reiseplattformen im Internet, wobei sie deren Geschäfte per TV-Werbung auf konzerneigenen Kanälen bekannt machen. Vor wenigen Wochen war dabei Bemerkenswertes geschehen. Bereits mehr als 50 Prozent seiner Umsätze erziele Pro Sieben Sat 1 außerhalb des klassischen TV-Geschäfts, betonte Ebeling jetzt zur Ankündigung seines Abschieds. Was er verschwieg: den Verlust von Zuschauermarktanteilen, der ausgerechnet den Hauptsender Pro Sieben am deutlichsten getroffen hat. Speziell in der für Werbende wichtigen Altersgruppe zwischen 14 und 49 Jahren lag diese Quote von April bis Oktober konstant unter zehn Prozent.

Jüngere Kundschaft wandert immer stärker zu Streamingportalen ab

Experten sagen, Pro Sieben Sat 1 habe die Konkurrenz von Netflix & Co unterschätzt. Vor allem jüngere Kundschaft wandere immer mehr zu den Streamingportalen ab und Maxdome als hauseigenes Angebot dieser Art komme nicht in die Gänge. Vor allem Pro Sieben lasse immer noch alte US-Serien und Hollywoodfilme über die Mattscheibe flimmern, die man mittlerweile überall im Netz sehen könne. Es fehlten Alleinstellungsmerkmale. Die Konkurrenz von RTL aber auch andere Sender würden dagegen seit einiger Zeit selbst verstärkt Produktionen in Auftrag geben, um sich unverwechselbar zu machen.

Strategiewechsel geplant

Auch am Pro-Sieben-Sat-1-Firmensitz in Unterföhring ist seit kurzem ein Strategiewechsel inklusive Investitionsoffensive ins Programm in Arbeit, der am 6. Dezember gegenüber Analysten konkretisiert werden soll. Geplant ist eine konzerninterne Verschmelzung digitaler und traditionellen TV-Geschäfte sowie eine Beteiligung von Investoren an den anderen beiden Geschäftssäulen Inhalteproduktion sowie E-Commerce mit Online-Plattformen aller Art. Auch von Kostensynergien ist die Rede, was die konzernweit rund 6000 Beschäftigten von Pro Sieben Sat 1 alarmiert. Hinter dieser modifizierten Strategie steht auch der Aufsichtsrat, betonte dieser parallel zur Ankündigung von Ebelings Abschied. Gleichzeitig ernannte das Gremium dessen Vorstandskollegen Conrad Albert zum neuen Pro-Sieben- Sat-1-Vize. Es sei nicht auszuschließen, dass Ebelings Nachfolger, den man bereits seit einiger Zeit suche, nicht nahtlos zur 23. Februar bereit stehe. Ein geordneter Übergang sieht anders aus.