Chinas Kapitale leidet unter dramatischer Luftverschmutzung. Pekinger machen die Regierung verantwortlich.

Peking - Pan Shiyi ist ein mächtiger Mann. Mehr als 13 Millionen Chinesen folgen dem Pekinger Bauunternehmer und Fernsehstar bei Weibo, dem chinesischen Twitter. Dieser Tage beglückte der scharfzüngige Pan seine Fans mit einer besonders treffenden Anekdote. „Die Beamten haben mich einmal zum Teetrinken eingeladen, weil ich etwas über Pekings Luftqualität geschrieben hatte“, berichtete Pan. Teetrinken ist in China ein Synonym für eine Vorladung bei der Staatssicherheit. „Ausländische Kräfte benutzen dich“, habe ein Beamter ihm vorgeworfen. „Weißt du, was das für ein Problem ist?“

 

Die Kritik in Pans kleiner Geschichte konnte keinem entgehen. Peking und andere nordchinesische Städte leiden seit Tagen unter Rekordsmog. Viele Chinesen werfen der Regierung katastrophales Versagen vor. Denn obwohl die Umweltprobleme in Chinas Städten seit Jahren zunehmen, versuchen die Behörden das Volk glauben zu machen, die Luftqualität werde immer besser. Wer anderes behauptet, gilt als Verräter.

Doch angesichts der dunklen, stinkenden Schmutzglocke, die derzeit über der Hauptstadt liegt, muss auch die Regierung eingestehen, dass die Probleme außer Kontrolle geraten sind. Die Behörden raten den 20 Millionen Einwohnern derzeit, so wenig wie möglich vor die Tür zu gehen. Alte, Kranke und Kinder sollten am besten gar nicht das Haus verlassen. Am Samstag wurden mehrere Stadtautobahnen vorübergehend geschlossen, weil die Sichtverhältnisse zu schlecht waren. Auch Pekings Flughafen musste vorübergehend den Betrieb einstellen.



Die derzeitige Schadstoffbelastung überrascht selbst Experten. Die Messung von gesundheitsgefährlichem Feinstaub mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometer, welche die US-Botschaft in Peking auf ihrem Dach durchführt und im Internet veröffentlicht, erreichte am Samstag einen Wert von 728 – und das bei einer Skala, die eigentlich bei 500 enden sollte.

Als gut gilt Luft nur bei einem Wert unter 50. Ab 300 gelten Konzentrationen als akut gesundheitsgefährlich, weil die winzigen Partikel in die Lunge und von dort ins Blut gelangen können. Feinstaub kann Schlaganfälle, Herzerkrankungen, Atemwegsleiden, Geburtsschäden oder Krebs auslösen, warnen Ärzte.

Die Messung der chinesischen Umweltbehörde erreichte allerdings nur einen Wert von 456. Dass er deutlich unter der amerikanischen Botschaftsmessung liegt, erklärt sich wohl damit, dass die Regierung ihre Luftdaten vorwiegend am Stadtrand erhebt. Viele Chinesen werfen den Behörden seit Langem vor, die Öffentlichkeit bewusst über das Ausmaß der Luftverschmutzung zu täuschen. Schließlich weigerte sich Chinas Umweltamt bis vor wenigen Monaten, Feinstaub überhaupt nach internationalen Standards zu messen.

„Als hätten die Japaner Gasbomben geworfen“

Dass die US-Botschaft die offiziellen chinesischen Angaben Lügen straft, führt seit Jahren zu diplomatischen Spannungen zwischen Peking und Washington. Chinas stellvertretender Umweltminister bezeichnete es kürzlich als unverschämt, dass die USA „chinesische Luft nach amerikanischen Standards“ zu messen wage. Die Chinesen vertrauen in diesem Fall aber lieber den Ausländern und schließen sich Pan Shiyis Spott gegen die Regierung an. „Die Luft in Peking ist so schmutzig, als hätten die Japaner Gasbomben geworfen“, kommentierte ein Weibo-Benutzer seine Anekdote. Ein anderer schrieb: „Ich wüsste gerne, ob die alten Knacker im Regierungsviertel immer noch Frühsport machen.“