China fördert die Elektromobilität nach Kräften – und bietet Hochtechnik zum günstigen Preis. Auch deshalb ist die Millionenstadt Shenzhen weltweit zu einem Vorbild geworden.

Peking - Deutschland, der Umwelt-Vorreiter? Die Zweifel an einer Spitzenstellung mehren sich. China meldet derzeit eine Reihe von spektakulären Erfolgen: die Energiewende kommt überraschend schnell voran, ebenso die Umstellung auf Elektromobilität. Während Deutschland vor allem über Schwierigkeiten und Kosten redet, probiert die Techniknation in Asien neue Konzepte einfach im großen Stil aus. Bestes Beispiel ist die Industriestadt Shenzhen ganz im Süden des Landes. Sämtliche Busse der Stadt fahren bereits elektrisch.

 

Das Ziel ist vor allem sauberere Luft: In den dicken Brummern des öffentlichen Nahverkehr tuckerten bisher meist Dieselmotoren. Diese gelten als die Hauptverursacher von Feinstaub und anderen Schadstoffen. In Deutschland sind die Busse an einem Fünftel der Emissionen des städtischen Straßenverkehrs schuld. Genauso war es in Shenzhen – vor der Umstellung. Die Luft dort ist nun bereits merklich sauberer geworden.

Zwischen den Wolkenkratzern der Innenstadt, den Fabriken am Stadtrand und den Wohnblöcken surren in Shenzhen nun 16 500 E-Busse. Weltweit hat es bisher keine andere Großstadt geschafft, den öffentlichen Verkehr so radikal auf Elektrizität umzustellen. Zum Vergleich: In ganz Deutschland gibt es 35 000 Linienbusse, fast alle davon dieselgetrieben.

Deutschland hinkt hinterher

Die Bundesregierung fördert zwar die Umstellung auf Elektrizität aus dem Mobilitätsfonds mit Hunderten Millionen Euro, doch nur in Hamburg hat sich bisher etwas getan. Die Hansestadt will schon ab 2020 ausschließlich E-Modelle anschaffen. In Stuttgart wollen die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) in diesem Jahr nur noch Busse einsetzen, die die Euro-6-Norm haben oder über einen innovativen Antrieb verfügen. Bei reinen E-Bussen ist man erst noch auf der Suche. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) fahren von 1300 Busse derzeit nur fünf elektrisch. Deutschlands größter Verkehrsbetrieb hat zwar einen Auftrag für 30 Elektrobusse ausgeschrieben, aber angeblich finden sich keine Anbieter, der liefern kann. Im Sommer will nun eine Delegation aus Berlin nach China reisen, um sich dort über den Einsatz von Elektrobussen zu informieren.

In Shenzhen werden die Vertreter von Senat und BVG ein gut funktionierendes E-Busnetz vorfinden. Dabei fahren die neuartigen Verkehrsmittel dort unter westlich härteren Bedingungen als in der deutschen Hauptstadt. In Shenzhen leben 13 Millionen Menschen. Die Stadt erstreckt sich über 2000 Quadratkilometer Fläche, mehr als doppelt so viel wie Berlin. Sie ist Taifunen und extremen Regenfällen ausgesetzt. Im Sommer wird es so heiß, dass die Busse klimatisiert fahren müssen. Millionen von Angestellten streben morgens gleichzeitig an ihre Arbeitsplätze.

Emissionsfreies Fahren als Standortfaktor

Die Einwohner sind glücklich mit ihren Elektrobussen. Es sind keine Klagen zu hören, dafür sind die Leute stolz auf die technische Leistung „Made in China“. In einem Land, das wie kaum ein anderes unter Luftverschmutzung leidet, ist emissionsfreies Fahren ein echter Standortfaktor.

Das Geheimnis von Shenzhens Erfolg mit den E-Bussen: Die Verkehrsgesellschaften sehen sie nicht einfach als Ersatz für Dieselmodelle, die sie auf die gleiche Weise einsetzen würden. Sondern sie haben die Betriebsweise völlig auf die Anforderungen der Elektromobilität umgestellt. So gibt es Lademöglichkeiten an den Bushaltestellen, die die Fahrer ohnehin für ihre Pflichtpause anfahren müssen. Auch die Fahrpläne sind angepasst: Ladepausen und Buswechsel sind fest eingeplant. Die Totalumstellung galt als der beste Weg, das Luftproblem anzugehen – Mischverkehr mit verschiedenen Antriebsformen schafft Probleme.

Im Herzen des Elektro-Wunders von Shenzhen steht der Auto- und Batteriehersteller BYD. Das Unternehmen ist als Innovator und Elektro-Pionier bekannt: Das erste in Serie hergestellte Steckdosen-Hybridauto der Welt kam 2009 von BYD. US-Investor Warren Buffet war so begeistert von dem Unternehmen, dass er mit einer dicken Finanzspritze nachgeholfen hat. Eine glückliche Wahl: BYD war zwischenzeitlich immer wieder der global absatzstärkste Anbieter von Elektrofahrzeugen (inklusive Lastern und Bussen) und ist der zweitgrößte Hersteller von Batterien für die neue Mobilität. Das Unternehmen gibt viel Geld für die Forschung aus und ist beispielsweise auch der wichtigste Partner von Daimler bei der Herstellung von reinen Elektroautos für China.

Die deutschen Marktführer scheinen den Trend dagegen zum Teil verschlafen zu haben. Weder Mercedes noch MAN bieten bereits ein gebrauchsfertiges Modell an. Mercedes will zwar noch in diesem Jahr einen Bus auf den Markt bringen – doch die Asiaten haben ganz klar die Nase vorn. Das Münchner Fernbusunternehmen Flixbus hat deshalb ebenfalls chinesische Fahrzeuge angeschafft, um mit den Möglichkeiten der Elektromobilität zu experimentieren.

Die Busse kommen 250 Kilometer weit

Dabei arbeitet Shenzhen gar nicht mit allzu hohen Zuschüssen, um das E-Wunder möglich zu machen. Da die Strompreise niedrig sind, verursacht ein E-Bus dort in acht Betriebsjahren inklusive Anschaffung und Energie ähnlich hohe Kosten wie ein Dieselmodell. Das geht aus einer Studie der Weltbank hervor. Der Diesel ist zwar beim Kauf billiger, der Elektrobus holt jedoch im Betrieb wieder auf.

Die Busmodelle in Shenzhen laden ihre Lithiumbatterie typischerweise für fünf Stunden und kommen damit 250 Kilometer weit. Die Stadt braucht auf langen Linien nun mehr Busse als vorher, doch die Fahrzeuge können während der Standzeiten an vielen Punkten ihrer Strecke nachladen. Wenn kein Bus den Strom braucht, stehen die Ladestationen auch Elektroautos von Privatleuten offen. Das spielt einen Teil der Kosten wieder ein.

Shenzhen ist insgesamt ein Vorreiter der elektrischen Mobilität. Die Stadt verfügt über ein gut ausgebautes U-Bahnnetz – und fast alle Taxis sind ebenfalls schon Hybrid- oder Elektroautos von BYD. Es ist kein guter Grund zu erkennen, warum die Umstellung in Deutschland so viel länger dauern muss. Es handelt sich nur um eine Frage der Bereitschaft zu Investitionen.