Physiker der Universität Kiel haben ein wichtiges Instrument für die chinesische Mond-Mission Chang’e 4 entwickelt. Das Messgerät LND, das kaum größer ist als ein Taschenbuch, wertet die Strahlung und den Wassergehalt des Bodens auf dem Erdtrabanten aus.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Peking/Kiel - An Bord der chinesischen Mondsonde Chang’e 4 ist auch ein von Wissenschaftlern der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel entwickeltes Strahlenmessgerät. Das Lunar Lander Neutrons & Dosimetry (LND) Experiment, das kaum größer ist als ein Milchkarton, soll mindestens ein Jahr lang die Strahlung und den Wassergehalt des Bodens messen und die Daten zur Erde schicken. Die Erkenntnisse daraus sollen helfen, zukünftige bemannte Mondmissionen vorzubereiten.

 

Das Gerät kann elektrisch geladene Strahlung und nicht geladene Strahlung von Neutronen messen. Rund ein Jahr hatten der Leiter des Kieler Instituts für Experimentelle und Angewandte Physik in Kiel, Professor Robert Wimmer-Schweingruber, und sein Team Zeit, um das chinesische Mondlabor mit ihrem Strahlenmonitor zu bestücken.

Das Kieler Institut ist spezialisiert auf die Erforschung kosmischer Strahlung und des Sonnenwindes. So entwickelte es bereits Messinstrumente für den Mars-Rover „Curiosity“ der US-Raumfahrtbehörde NASA und für die Raumsonde „Solar Orbiter“ der europäischen Raumfahrtbehörde ESA.

„Die Chinesen arbeiten wesentlich schneller und intensiver als die NASA und ESA“

Wir sprachen mit Robert Wimmer-Schweingruber über das aktuelle und weitere Projekte in der Raumfahrt:

Herr Wimmer-Schweingruber, welche Bedeutung hat das Strahlenmessgerät LND, das unter Ihrer Leitung an der Kieler Universität entwickelt wurde, für die chinesische Mond-Mission Chang’e 4?

Das Lunar Lander Neutrons & Dosimetry misst die Strahlung, der Astronauten auf dem Mond ausgesetzt wären, wenn sie dort landen. Das LND dient also der Vorbereitung einer bemannten Mondlandung. Die Strahlung ist ein großes Risiko für die Astronauten – die größte Unbekannte quasi.

Das Kieler Institut und Sie persönlich sind deutschlandweit führend in der Entwicklung solcher Technologien. Sie haben bereits den NASA-Marsrover Curiosity und den Solar Orbiter der ESA mit entwickelt.

Die Geschichte geht noch weiter zurück. Wir sind in diesem Jahr seit 50 Jahren im Weltraum vertreten. Wir waren schon 1969 an der ersten deutschen Weltraum-Mission Azur beteiligt, dem ersten in Deutschland entwickelten Satelliten. Seither sind wir auf verschiedenen Weltraummissionen dabei gewesen.

Wie lang haben Sie und Ihr Team an dem Strahlenmessgerät für Chang’e 4 gearbeitet?

Insgesamt 13 Monate. Das war die Zeit, die wir hatten, bis wir das LND zum ersten Mal an die Chinesen abgeben mussten. Wir haben es dann noch einmal zurückbekommen für einige restliche Tests. Jetzt können wir die Früchte unserer Arbeit ernten, indem wir die Daten vom Mond auswerten.

Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit China?

Vor drei Jahren haben wir auf einem Workshop der chinesischen Raumfahrtbehörde China National Space Administration unser Konzept für die Messung der Strahlungen auf dem Mond mit dem LND vorgestellt. Die Kooperation ist ganz anders als mit der NASA und ESA. Die Chinesen arbeiten wesentlich schneller und intensiver als die Amerikaner – und noch viel schneller als die Europäer. Der Vorteil ist, dass es weniger kostet, weil es weniger lange dauert. Der Nachteil ist, dass die Arbeitsdichte unglaublich hoch ist.

Welche Rolle spielt China in der Raumfahrt?

Vermutlich wird China das nächste Land sein, das eine bemannte Mondmission startet. Unsere Messung ist wichtig für die Vorbereitung solcher Missionen. Ich kann mir gut vorstellen, dass China das erste Land ist, das wieder zum Mond fliegt. Einfach weil es die größte Treibkraft hinter dem ganzen Weltraumprogramm hat.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Das nächste große Projekt ist der Solar Orbiter der ESA, der im Februar 2020 mit einer amerikanischen Atlas V-Trägerrakete starten soll. Die ESA-Sonde soll die Pole der Sonne beobachten. Das ist für uns ein Riesenprojekt, für das wir drei Instrumente gebaut haben. Danach könnte eine Weltraum-Wettermission anstehen, die von den Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA getragen würde. Gefördert werden diese Projekte, wie auch unser LND durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Info: Zur Person

Robert Wimmer Schweingruber wurde 1963 geboren.

Er studierte ab 1982 Physik an der Universität Bern, wo er 1994 auch promovierte und sich nach einem USA-Aufenthalt 2001 habilitierte.

Seit 2002 ist er Leiter der Abteilung Extraterrestrische Physik des Instituts für Experimentelle und Angewandte Physik an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) Kiel.