China wird Osteuropa beim 16+1-Gipfel in Belgrad mit Billigkrediten für Großprojekte umwerben. Das Reich der Mitte will sich über wirtschaftliche Projekte auch mehr politischen Einfluss in der Region sichern.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Zumindest für ein paar Tage kann sich Serbiens Hauptstadt Belgrad noch einmal im Zentrum des internationalen Interesses wähnen. Als größtes Politspektakel seit der Beerdigung von Jugoslawiens einstigem Staatschef Tito 1980 feiert das Boulevard-Blatt „Alo“ den heute beginnenden 16+1-Gipfel. Der eigentliche Gastgeber des Stelldicheins der Regierungschefs der Staaten Mittel- und Südosteuropas ist jedoch Chinas Premier Li Kequiang. Zum dritten Mal bittet Peking den finanzschwachen Teil Europas zur Audienz.

 

China lockt die Partner mit Billigkrediten

Für seinen Regierungschef wäre es schwer, 16 Staaten in drei Tagen zu besuchen, umschreibt Li Manchang, Chinas Botschafter in Belgrad, den Sinn des Gipfels. Wie schon bei den vorherigen Treffen in Warschau und Bukarest wird erneut das Bestreben Chinas im Mittelpunkt stehen, über die Ausweitung der Wirtschaftskooperation auch den politischen Einfluss in der Region zu stärken. Die Partner lockt China mit Billigkrediten für in eigener Regie realisierte Großprojekte.

Vor allem im ausgedorrten EU-Vorhof, aber auch bei kriselnden EU-Mitgliedern wie Ungarn findet der milliardenschwere Lockruf der Seidenstraße Gehör.   Vor allem die angeschlagenen EU-Anwärter auf dem Westbalkan wie Albanien, Mazedonien, Montenegro oder Serbien können kostspielige Infrastrukturprojekte alleine kaum stemmen. Die Kredite und Hilfen der EU, der USA und der Weltbank vermögen den immensen Bedarf kaum zu decken – und werden oft nur unter strengen Auflagen vergeben. Die Hoffnungen, die vor allem Serben und Ungarn  in das in die Sanktionskrise gerutschte Russland gesetzt hatten, haben nach dem von Kremlchef Wladimir Putin erklärten Aus für das Prestigeprojekt der Gaspipeline South Stream einen erheblichen Dämpfer erlitten. Die Mittel aus China sind in der ausgebluteten Region somit hochwillkommen. China sei bereit, in fünf Jahren zehn Milliarden Dollar in der Region zu investieren, verkündete Peking beim Gipfel in Bukarest.   Die Summe ließ manche Politiker begeistert den Kopf verlieren. So sprach der damalige serbische Bergbauminister Milan Bacevic enthusiastisch von zehn Billionen Dollar, die China in die Region zu pumpen gedenke.

Doch Peking verteilt keine Geschenke. Die Kosten des von chinesischen Banken vorfinanzierten Baus von Autobahnen, Kraftwerken oder Schnellbahntrassen haben die Empfänger selbst zu tragen. Doch ausgeführt werden die Arbeiten fast ausschließlich von chinesischen Baukonsortien. Heimische Firmen kommen hingegen kaum zum Zug. Vielleicht auch darum werden die Großprojekte ohne größere Korruptionsfallen meist relativ kostengünstig und für die Region ungewöhnlich termingerecht durchgeführt.   Als willkommenen Fototermin wird Li Kequiang in Belgrad die neue, von chinesischen Konzernen gebaute Donaubrücke einweihen. Beim Gipfel soll zudem der Bau einer Schnellbahntrasse zwischen Belgrad und Ungarns Hauptstadt Budapest unter Dach und Fach gebracht werden. Wie in Serbien ist auch in Mazedonien und Montenegro der Bau von Autobahnen unter chinesischer Regie geplant. In Albanien wollen chinesische Konsortien in neue Wasserkraftwerke investieren.   

Westliche Diplomaten sind misstrauisch

Noch bewegen sich Pekings Wirtschaftsbeziehungen mit den Gipfelstaaten auf einem eher bescheidenen Niveau: Chinas Handelsvolumen mit allen 16 Partnerländern entspricht zusammen ungefähr dem Warenaustausch mit Italien – oder einem Zehntel des Handels mit der gesamten EU. Doch von westlichen Diplomaten wird die kreditgespeiste Charmeoffensive eher misstrauisch beäugt: Peking wolle die EU-Staaten auseinander dividieren und die gemeinsame Politik Europas gegenüber China untergraben. Die vermeintliche Goldgräberstimmung bei den Empfängern von Pekings Kreditsegen wird wiederum durch die ausufernden Staatsschulden getrübt. Der geplante Autobahnbau nach Montenegro dürfte die „letzte Station der Verschuldung“ sein, konstatierte das Wochenblatt „Nin“. Serbien müsse eine „aktivere und innovativere Zusammenarbeit mit China“ suchen.