Autoexperten und Arbeitnehmervertreter begrüßen wie das Unternehmen Daimler selbst den Einstieg des chinesischen Autobauers Geely bei dem Stuttgarter Autobauer. Geely-Eigner Li Shufu hat knapp 9,7 Prozent der Daimler-Aktien erworben.

Stuttgart - Der Einstieg des Geely-Eigners Li Shufu bei Daimler hat am Montag an der Börse zunächst für Verunsicherung gesorgt. Die Aktie verlor am Morgen zunächst bis zu 1,4 Prozent, während die Papiere von BMW und VW anzogen. Im Tagesverlauf konnte die Daimler-Aktie jedoch einen guten Teil der Verluste wieder aufholen, bevor sie im späten Handel wieder auf Talfahrt ging. Arbeitnehmervertreter und Autoexperten zeigten sich in einer ersten Einschätzung allerdings nicht besonders beunruhigt.

 

„Ein Aktienpaket von fast zehn Prozent ist eine Menge Holz, aber rund 90 Prozent gehören nicht dem neuen Großaktionär. Deshalb beginnt die Daimler-Welt sich nicht plötzlich in eine andere Richtung zu drehen“, sagte der Stuttgarter IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger, der Mitglied des Daimler-Aufsichtsrats ist, unserer Zeitung. Die Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium, so Zitzelsberger, würden sich in aller Ruhe damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen der Einstieg habe. Die Arbeitnehmerseite erwarte, dass der neue Großaktionär als langfristig orientierter Investor die Zukunftssicherung des Unternehmens, seiner Standorte und der Beschäftigung unterstütze.

Ein Signal der Wertschätzung

Für Frank Biller, Autoanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), signalisiert die Beteiligung zunächst einmal die Wertschätzung für die operative Aufstellung von Daimler. Biller meint ebenso wie Willi Diez, der Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, dass Li Shufu damit auch die Hoffnung auf das eine oder andere Kooperationsprojekt mit Daimler verbindet. Zunächst einmal sei es für Daimler positiv, dass das Unternehmen neben Kuwait wieder einen weiteren Ankeraktionär habe, nachdem das Golfemirat Abu Dhabi einst nur ein kurzes Gastspiel gab. Vor neun Jahren erwarb Abu Dhabi über eine Investmentgesellschaft 9,1 Prozent der Daimler-Anteile. Schon nach drei Jahren erfolgte jedoch die Trennung.

Im vergangenen Jahr ließ das Daimler-Management Li Shufu abblitzen, als er anbot, über eine Wandelanleihe eine Beteiligung am Stuttgarter Konzern mit einem deutlichen Kursabschlag zu erwerben. Nun hat er sich die Papiere an der Börse zusammengekauft. Daimler begrüßte den Milliardär nun in einer Mitteilung „als weiteren langfristig orientierten Investor“ mit dem man den industriellen Wandel konstruktiv diskutieren könne. Bereits kurz nach dem Einstieg war Li Shufu dem Vernehmen nach beim Vorstand in Stuttgart.

Wo Kräfte gebündelt werden können, muss noch ausgelotet werden

Frank Biller erwartet nicht, dass der Milliardär die Stuttgarter auf Teufel komm raus zu einer Kooperation mit Geely oder dem schwedischen Autobauer Volvo zwingen werde, der ebenfalls zu seinem Konzern gehört. „Li Shufu wird kein Interesse daran haben, dass sich die Geschäftsaussichten von Daimler verschlechtern. Denn das würde seinem Investment schaden“, gibt der Autoanalyst zu bedenken. Biller rechnet eher damit, dass man in den kommenden Monaten auslotet, auf welchen neuen Feldern die Kräfte gebündelt werden könnten.

Daimler hat bisher bereits eine enge industrielle Partnerschaft mit Renault-Nissan. In China ist der Autokonzern BAIC engster Verbündeter der Stuttgarter. Erst am Wochenende hat Daimler den Ausbau dieser Allianz und den Bau eines neuen Werks verkündet. Daimlers China-Chef Hubertus Troska bekräftigte, dass das Pekinger Gemeinschaftsunternehmen „auch in Zukunft eine zentrale Rolle für Mercedes-Benz in China spielen“ werde. Gemeinsam mit dem chinesischen Autobauer BYD produziert Daimler zudem E-Autos der Marke Denza. „Ich kann mir schwer vorstellen, dass BAIC oder BYD durch Geely ersetzt werden“, meint Biller, der erwartet, dass die Gespräche „auf einer freundschaftlichen Ebene stattfinden“ werden. IFA-Chef Diez meint indes, dass es nicht ganz einfach werde, Felder für eine Zusammenarbeit zu finden, auf denen man nicht den bisherigen Kooperationspartnern ins Gehege komme. Li Shufu selbst hat nach seinem Einstieg zum einen erkennen lassen, dass er Interesse an einer Zusammenarbeit im Bereich der Elektroautos habe. „Ich freue mich besonders, dass ich Daimler auf dem Weg zum führenden Anbieter von Elektromobilität begleiten kann“, erklärte der Milliardär in einer Mitteilung.

Kein Gewinn der Schlacht im Alleingang möglich

Zum anderen wies er auf neue Konkurrenten aus der Internetwelt beim autonomen Fahren oder neuen Mobilitätsdiensten hin. „Die Wettbewerber, die die weltweite Autoindustrie im 21. Jahrhundert herausfordern, sind keine klassischen Fahrzeugbauer“, erklärte der Unternehmer. Keiner der heutigen Autobauer, so Li Shufu, könne diese Schlacht im Alleingang gewinnen, sondern brauche Freunde, Partner und Allianzen. Das Investment bei Daimler reflektiere diese strategische Vision.