Beim Chorensemble Vaihingen wird nicht nur geprobt, sondern auch etwas über die Musikgeschichte gelernt.
Vaihingen - Wenn das Vaihinger Chorensemble am Donnerstagabend probt, dann ist es keineswegs stures Einstudieren von Stücken. Sondern immer auch eine kleine Vorlesung über Musikgeschichte. „Wenn wir ein neues Stück lernen, ist es wichtig zu wissen in welcher Situation sich der Komponist während der Zeit der Entstehung befand“, sagt Chorleiter Klaus Breuninger. War er ein junger Künstler, der schnellstmöglich Geld verdienen wollte? Oder saß der Komponist alt und zufrieden in seiner Kammer während er das Stück komponierte? Erst wenn man die Rahmenbedingungen kenne – die Lebensumstände des Komponisten sowie die Bedingungen der Zeit, in der er lebte – bekomme man einen richtigen Zugang zum Werk und erst dann erreiche der Chor eine gelungene Interpretation.
Die Teilnehmer lernen vom Profi
Ein hoher Anspruch also, dem sich das Chorensemble Vaihingen ausgesetzt hat, als es 2002 Breuninger als Dirigenten engagierte. Einen Profi, der Musik studiert hat und nun nach einigen musikalischen Stationen, die ihn bis nach Afrika brachten, hauptberuflich Chöre in der Region leitet. „Es ist natürlich etwas anderes, wenn ein Profi vor einem steht“, sagt der Vorsitzende des Vereins, Jürgen Grieb. „Doch wir haben einen gewissen Qualitätsanspruch. Wir möchten nicht nur dazu da sein, Trinklieder anzustimmen.“
Große Werke sollen es sein, traditioneller Stoff für einen traditionellen Verein, dessen Geschichte bis ins Jahr 1860 zurückgeht. Also war es nur logisch, jemanden wie Breuninger zu verpflichten. Auch krempelte er nicht den ganzen Chor um. Denn dass aus dem Männerchor ein gemischter Chor werden sollte, war schon vorher klar, Doch Breuninger brachte neue Ideen und Ansätze mit – und außerdem Beziehungen in die Musikwelt.
Chorensemble als Sprungbrett für junge Talente
Bei den großen Konzerten können deshalb Pianisten, Organisten, ganze Orchester oder Gesangssolisten, die preislich im Rahmen liegen, engagiert werden. Denn Breuninger holt für diese Abende, die ungefähr alle anderthalb Jahre stattfinden, meist Musikstudenten. Dadurch wird der Verein nicht finanziell überfordert, und die jungen Musiker bekommen mit den Auftritten eine Plattform, die ein Sprungbrett sein kann. Auch für die Chormitglieder sind das außergewöhnliche Abende. Es ist nicht üblich, dass Laienmusiker derart große klassische Konzerte mit Orchester und Solisten geben können.
In diesem Jahr sind zwei Klaviersolisten dabei. Das Konzert findet im März statt, deshalb wird im Moment am Feinschliff gearbeitet. Der Abend steht ganz im Zeichen Johannes Brahms, dessen Sammlungen Liebeslieder-Walzer und neue Liebeslieder gespielt werden. Die einzelnen Stücke behandeln dabei die Liebe in all ihren Facetten, von Liebesfreud’ bis Liebesleid, musikalisch wie textlich umgesetzt.
Auch der Entstehungsprozess der Werke wird miteinbezogen
Apropos Texte: „Die sind ehrlich gesagt ziemlich furchtbar“, sagt Breuninger. „Der Dichter wäre bei jedem Poetry-Slam durchgefallen“. Doch haben die Worte, die Gefühlswelten auf ganz plakative Weise beschreiben, Brahms zu einem großen Werk inspiriert und damit gleichzeitig die Gedichte vor dem Vergessen bewahrt. Und so werden auch dabei die Rahmenbedingungen des Entstehungsprozesses miteinbezogen. Schließlich wusste auch Brahms vom mangelnden literarischen Gehalt der Vorlage. Deshalb: „Mit einem Augenzwinkern gesehen, sind die Stücke toll.“
Brahms Werk wird ergänzt durch neuere Stücke über die Liebe wie zum Beispiel von den Comedian Harmonists. Klassiker trifft auf leichteren Stoff. Wobei leicht für einen Profi wie Breuninger das falsche Attribut ist: „Wenn man leicht richtig machen will, ist es auch anspruchsvoll.“
CHORENSEMBLE VAIHINGEN
Anschrift Kelterberg 5, 70563 Stuttgart Telefon 0 71 52/92 95 80 Mail info@chorensemble-vaihingen.de Homepage www.chorensemble-vaihingen.de
Vorsitzender Jürgen Grieb Gründungsjahr 1860 Mitgliederzahl zirka 85 Abteilungen gemischter Chor
Mehr Informationen zu Stuttgart Aktiv gibt es auf der Homepage der Stadt Stuttgart.