Der britische Gitarrist und Sänger Chris Rea hat auf seiner aktuellen Tournee auch in der Liederhalle in Stuttgart Station gemacht. Der Musiker gibt sich wortkarg, aber ausdrucksbeseelt.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Weniger ist nicht immer mehr. Denn manche Künstler geben sich auf der Bühne zwar recht wortkarg, weil sie lieber musikalische Taten für sich sprechen lassen möchten. Aber dass ein Musiker überhaupt kein Wort zum Publikum spricht, dass er nicht einmal Guten Abend und Auf Wiedersehen sagt, sondern so grußlos erscheint, wie er verschwindet – das haben wir lange nicht mehr erlebt. Dass er überdies nur zwei seiner fünf Begleitmusiker vorstellt, darf man schon fast als Akt grober Unhöflichkeit werten. Und dass dem lautstark applaudierenden Publikum nach dem Ende der ersten Zugabe lange Zeit suggeriert wird, dass es noch eine zweite geben könnte, ehe dann doch das Saallicht angeht . . . Na ja. All so etwas gehört sich ehrlich gesagt nicht, insbesondere verblüfft jedoch, dass ein Musiker vom Format eines Chris Rea sich so gebärdet, der es wirklich nicht nötig hat und von dem man eine so ungehobelte Attitüde auch nicht erwartet hätte.

 

Schon die dritte Tour seit der Abschiedstournee

Fünf mehr oder weniger namenlose Begleitmusiker befinden sich wie erwähnt neben Chris Rea auf der Bühne, zwei Keyboarder, ein Bassist, ein Rhythmusgitarrist und ein Schlagzeuger. Das ist viel, es überschreitet in einigen Phasen des Konzerts auch die Grenze zum Zuviel. Überinstrumentiert wirkt einiges, zumal die Musik von Chris Rea gerade vom nuancierten, reduzierten Feinklang lebt, der seine Güte auch aus einer klaren Ortbarkeit der Instrumente bezieht. Exemplarisch ist das zu hören auf dem vorzüglich produzierten und aufgenommenen, vor einem knappen Monat erschienenen Album „Road Songs For Lovers“. Es bietet jetzt den äußeren Anlass für die Tour des Musikers, der sich ja eigentlich schon vor elf Jahren krankheitsbedingt mit einer Abschiedstournee von den Bühnenbrettern abgemeldet hatte, der aber, glücklicherweise, den Krebs besiegt hat und nun seitdem schon auf der dritten Tournee unterwegs ist.

Sein Publikum ist ihm dabei gefolgt, der Beethovensaal ist am Dienstagabend bis unters Dach gefüllt. In ihm wird – nunmehr auch im Popbereich – wieder einmal deutlich, was der Konzertveranstalter Michael Russ (der auch diesen Auftritt von Rea ausrichtet) mit seinen Sorgen um die Überalterung des Publikums meint: Der Autor dieser Zeilen scheint weit und breit der Einzige im Saal zu sein, der noch keine fünfzig Jahre alt ist. Einerseits ist dies ein schönes Indiz dafür, dass die Rockmusik längst auch elementarer Lebensbestandteil der Silverager geworden ist, andererseits eben auch ein Beleg dafür, dass sowohl vonseiten einiger Konzertveranstalter wie auch vonseiten vieler Musiker erstaunlich wenig für frischen Wind getan wird.

Lauter gereifte Menschen

Ein nachgewachsenes, jüngeres Publikum hat sich Chris Rea jedenfalls offensichtlich nicht heranziehen können. Das mag an der sehr konservativen Musizierhaltung, am sehr fintenarmen Metrum und den sehr gleichförmigen Tempi seines Œuvres liegen, die zwischen mittelschnell und mittellangsam changieren. So auch im Beethovensaal, in dem Chris Rea einen reinrassigen Querschnitt seines Schaffens vorstellt und Songs aus insgesamt zehn seiner Alben darbietet. Besonders frönt er dabei seiner Leidenschaft für die Straße, mit „The Last Open Road“ und „Happy On The Road“ geht es los, es folgen später „Stony Road“ (seine künstlerische Aufarbeitung der Krebserkrankung), dann „The Road Ahead“ und zum Abschluss „The Road To Hell“, einer von Reas drei großen Hits, der endlich den zwischendurch auf der Straße ins Nirgendwo abschweifenden Gedankengang zum Song „Roads“ seiner britischen Kollegen von Portishead vergessen lässt, einem Stück wirklich außerordentlicher künstlerischer Vielfalt (besonders in der Version auf dem „Roseland NYC“-Livealbum, aber das nur am Rande).

Den zweiten seiner großen Kracher – „On The Beach“ – spielt Rea in der mageren Minizugabe, den dritten – „Josephine“ – als viertes Stück des Abends. Alle drei Welterfolge serviert er in deutlich zu den Studioalben divergierenden Versionen, „Road To Hell“ mit einem hübsch verschleppten langen Intro, „Josephine“ reichlich vom Gitarrensound camoufliert, „On The Beach“ leicht bluesrockgeschwängert, was die Erwartungshaltungen zumindest ein wenig torpediert. Überhaupt sind’s die Ausflüge in den Blues, jene zweite Phase der Rea’schen Karriere mit Alben wie „Santo Spirito Blues“ (und dessen, in Erinnerung sei auch das nur am Rande gerufen, stupender Abrechnung mit der tierquälerischen Stierkampfidiotie), die im Beethovensaal wohltuend demonstrieren, dass der Name Chris Rea nicht nur für Softrock steht.

Er steht bekanntlich auch für das rauchige Organ dieses mittlerweile 66-jährigen Sängers, das immer noch eine feine Charakteristik entfaltet und verblüffend wenig an Ausdrucksstärke eingebüßt hat. Und er steht, das wird so oft wie gerne vergessen, schließlich auch für einen extraordinär guten Slidegitarristen, der diesen Abend zu einer One-Man-Show der instrumentalen Fertigkeitsvorführung werden lässt. Eine Stimme, eine Gitarre, einen üppigen Back-Katalog, mehr braucht’s nicht: Vielleicht war es das, was Chris Rea demonstrieren wollte. Falls ja, ist ihm zumindest dies sehr respektabel gelungen.