Blues statt Pop: Der schwer kranke Chris Rea gibt sich vor mehr als 2500 Zuschauern in der Stuttgarter Porsche-Arena melancholisch, sein Auftritt ist aufs Wesentliche reduziert.

Stuttgart - Es sind auffällig viele Kamerafahrten der Einsamkeit, die auf dem großen Bildschirm im Bühnenhintergrund allerlei Straßen und Schienen entlang führen, durch Nässe, Dunkelheit und Tunnels hindurch einem ungewissen Ziel entgegen. Etwas mehr als 2500 Besucher haben sich in der Porsche-Arena eingefunden, um mit Chris Rea zusammen das Gefühl eines solchen Wegs zu teilen. Rea ist schwer krank und hat schon 2006 auf einer Tournee seinen Abschied gegeben. Doch diesen Abschied hat er auf weiteren Tourneen verlängert und so ist er jetzt wieder einmal in Stuttgart zu Gast.

 

Rea gilt als Songschreiber, Sänger und Gitarrist, der geschmeidig federnden Pop mit seiner dunklen rauchigen Stimme und seiner ausdrucksstarken Gitarre sehr erfolgreich zusammenbringen kann. In den letzten Jahren hat der Brite jedoch den eleganten Pop zunehmend zugunsten eines schweren Blues eingetauscht, mit dem er sich im Ausdruck wohl dem Schmerz, dem Leid und den Grundbedingungen des Lebens näher fühlt. Es ist eine Reduktion, eine Rückführung auf das Wesentliche, was seine musikalische Arbeit bestimmt. Gleichzeitig beschwört das Abschiedsvideo auf der Bühnenleinwand zu Musik der sechziger Jahre etwas sentimental seinen alten Traum von einem roten Sportwagen, mit dem er auf einer endlosen Straße unterwegs sein kann. Rea ist bekannt dafür, dass er sich im Laufe seiner langen, nunmehr 30 Jahre währenden Karriere so manchen Sportwagen zugelegt hat, der auch mal eine andere Farbe als Rot haben durfte.

Stilisierte und hochaufgereckte Gitarren in Blau begrenzen die Bühne als er jetzt zusammen mit vier Musikern und zwei sehr zurückhaltenden Sängerinnen gleich zum Auftakt den Titel „Last open Road“ zelebriert, der auch der ganzen Tournee den Namen geben hat. Es regnet dabei auf der Straße: in Melancholie getauchter Pessimismus breitet sich aus und vermischt sich ernst mit den schleifenden Tönen von Reas Gitarre. Er gibt den Schmerzensmann, leicht vornüber gebeugt lässt er sich je nach Titel immer wieder neue Gitarren reichen, wobei er sich – wie im Titel „Let’s dance“ – gelegentlich auch zu ein paar koketten Tanzschrittchen hinreißen lässt.

Der Solist soll glänzen

Ansonsten wirkt sein Auftritt aber wie eine Beschränkung auf das Eigentliche, ein Vorprogramm hat es nicht gegeben, es gilt ausschließlich der Augenblick, der in bluesiges Blau getauchte Moment. Wie jede seiner Bands geht auch von der aktuellen Besetzung die Stärke aus, dass sie Stimmungen effektvoll verschärfen und Tempi leicht variieren kann, um dadurch scheinbar gleichförmig dahinfließenden Titeln Spannung zu geben. Die beiden Titel „Josephine“ und „Julia“, die seinen Töchtern gewidmet sind, mögen dafür auch an diesem Abend schöne Beispiele sein. Rea wirft damit auch einen Blick zurück in eine Zeit, als er noch oft auf Festivals gastierte und an seiner erfolgreichen Popstarkarriere bastelte.

Dies scheint lange hinter ihm zu liegen, der im Leiden gereifte Ausdruck scheint da vieles geändert zu haben. Die profilierten Solisten, mit denen er sich früher so manches spannende Duell lieferte, sind aus seiner Band verschwunden, reine Begleitung der funktionellen Art ist jetzt angesagt. Der Solist soll glänzen. Ob er sich trotz seines starken Gitarrespiels da ein wenig überschätzt? Den Titel „On the Beach“ beispielsweise, der einer seiner ganz großen Hits war, haben wir durchaus schon in einer interessanteren Version gehört. Er mag Beleg dafür sein, dass Rea mit seiner Musik immer schon zwischen Blues und leichtem Pop gependelt hat und dabei so manch klug kalkulierte Brücke bauen musste. Diese scheint er nun verlassen zu haben in Richtung auf einen klareren und intensiveren Ausdruck, der freilich seine eigentlichen Stärken etwas untergräbt, aber letzte Bemühungen wohl am besten repräsentiert.