Profilierte Abgänge wie Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas und Frauen-Union-Chefin Annette Widmann-Mauz deuten auf eine Verschiebung des CDU-Kurses hin.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Bundestagswahlen sind für Parteien immer auch eine Zeit des Umbruchs. Mandate sind nur auf Zeit verliehen und am Ende einer Legislatur entscheiden manche – oft „altgediente“ – Parlamentarier, dass es nun Zeit sei, keine weitere Amtszeit anzustreben. Es ist das übliche Kommen und Gehen am Ende einer Wahlperiode. Und doch lohnt sich da ein genauerer Blick. Es ist ja möglich, dass sich bei dem Wechselspiel mehr offenbart als die routinierte Staffelübergabe der Generationen.

 

Da rückt diesmal vor allem die CDU in den Fokus. Die Christdemokraten werden diesmal vier prominente und für die Arbeit in Bundestag und Partei gleichermaßen wichtige Frauen verlieren: Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas, die Chefin der Frauen-Union Annette Widmann-Mauz, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nadine Schön und die ehemalige Fraktionsvize Katja Leikert. Der Aderlass gibt aus einer Reihe von Gründen zu denken.

„Wenn unser Land diesen Weg weitergeht, wird es dunkel und kalt“

Mit der Vogtländerin Yvonne Magwas verliert die Union nicht nur eine der ganz wenigen profilierten weiblichen Stimmen aus dem Osten, sondern auch eine Politikerin, die mit dem Amt der Bundestagsvizepräsidentin eine im demokratischen Gemeinwesen herausgehobene Funktion innehatte, die sie nach allgemeiner Meinung mit Würde und Ausstrahlung ausfüllte. Magwas scheidet mit 44 Jahren aus der Politik, die ihr nach allen Regeln traditioneller Machtmechanismen noch eindeutige Karrierechancen offen gelassen hätte.

Umso genauer sollte man auf die Begründung achten, die sie in ihrer persönlichen Erklärung zum Rückzug genannt hat. Sie beklagt darin, „dass das gesellschaftliche Klima in den letzten Jahren erheblich rauer geworden ist, besonders in Sachsen“. Es werde „gelogen, diskreditiert, gehetzt“, die Demokratie würde von „AfD, Freien Sachsen, III. Weg, NPD“ systematisch in Frage gestellt „mit dem Ziel sie abzuschaffen“. Dann schreibt sie: „Wenn unser Land diesen Weg weitergeht, wird es dunkel und kalt.“ Und sie fordert ihre Partei auf, sich eindeutig gegen rechts zu positionieren.

Die Abgänge verschärfen das strategische Problem von Friedrich Merz

Magwas ist auch Vize-Vorsitzende der Frauen-Union. An deren Spitze steht Annette Widmann-Mauz. Auch sie scheidet aus dem Bundestag aus, nach 27 Jahren. Das alleine zeigt an, dass die Vertretung frauenpolitischer Positionen in der CDU künftig komplizierter werden könnte. Zumal mit Nadine Schön und Katja Leikert weitere profilierte weibliche Stimmen fehlen werden. Widmann-Mauz hatte maßgeblich dafür gestritten, dass die Partei eine - wenn auch zahme und zeitlich befristete – Frauen-Quote eingeführt hatte. Das hatte sie gegen die ursprüngliche eindeutig ablehnende Haltung des CDU-Parteichefs Friedrich Merz erreicht. Der hatte sich dann mit demonstrativer Lustlosigkeit mit der Quote light arrangiert.

Das weist auf ein schwelendes strategisches Problem der Union hin. Ihr Europawahlergebnis von gerade mal 30 Prozent war auch nach Einschätzung des Vorsitzenden am unteren Rand des Akzeptablen. Merz gelingt es nicht, bestimmte Milieus anzusprechen: etwa ein eher städtisch-liberales Publikum – und Frauen.

Mit anderen Worten: Gruppen, die unter der Merkel-CDU noch besser für die CDU zu gewinnen waren. Dass nun ausgerechnet profilierte Personen den Bundestag verlassen, die diesen Ausgriff auf Wählergruppen außerhalb der klassischen CDU-Kernwählerschaft repräsentieren, sollte die Partei alarmieren. Zumal Schön (41) und Leikert (49) in einem Alter aus der Politik ausscheiden, da üblicherweise Karrieren erst an Fahrt gewinnen.

Linnemanns konservativer Kurs stößt auf Widerstand

Da liegt der Eindruck nicht fern, dass auch ein gewisses Unbehagen am Merz/Linnemann-Kurs eine Rolle spielt. Jedenfalls scheinen sich derzeit die Gewichte in der Partei zugunsten der weniger dezidiert christdemokratischen und mehr konservativen Parteiströmung zu verschieben. Dafür spräche auch ein weiterer, diesmal männlicher Abgang. Mit Hermann Gröhe verlässt ein weiterer altgedienter „Merkelianer“ das Parlament.

Dass in der Partei derzeit tatsächlich unter der harmonischen Oberfläche ein Richtungskampf begonnen hat, spiegelt sich gerade im aktuellen Streit zwischen dem CDU-Arbeitnehmerflügel und Generalsekretär Carsten Linnemann über dessen überspitzte Polemik gegen das Bürgergeld. Linnemann stößt bei seinem Versuch, die Union stramm konservativ auszurichten und massiv gegen die Grünen abzugrenzen, auf Widerstand.