CDU-Vize-Generalsekretärin Christina Stumpp wertet das Ausscheiden einer Reihe prominenter Frauen nicht als Protest gegen Parteichef Friedrich Merz.
Eine Reihe namhafter CDU-Politiker wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Nicht alle dieser prominenten Abgänge sind weiblich. Aber es ist doch auffällig, dass mit Frauen-Union-Chefin Annette Widmann-Mauz, Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas und den beiden Führungspersönlichkeiten der Fraktion Nadine Schön und Katja Leikert ein hochkarätiges weibliches Quartett ausscheidet.
Es gibt in der Partei eine Debatte darum, wie dieses Phänomen zu verstehen ist. Einer nahe liegenden Interpretation widerspricht die Vize-Generalsekretärin der Partei, Christina Stumpp, nun im Gespräch mit unserer Zeitung. „Der Eindruck, der CDU oder Friedrich Merz würden die Frauen weglaufen, ist falsch“, sagt die Waiblinger Bundestagsabgeordnete. Die Abschiede täten zwar weh, hätten aber „ganz unterschiedliche persönliche Gründe“.
CDU muss für Frauen attraktiver werden
Dennoch werfen sie ein Schlaglicht auf die strategische Herausforderung der Union: Innerparteilich muss sie Frauen sichtbarer machen und nach außen für mehr weibliche Wähler attraktiv werden. Wie geht das? Innerhalb der Union setzt Stumpp auf Netzwerke. „In meiner Funktion als Leiterin des Kommunalbüros der CDU habe ich im Oktober 2023 das Netzwerk ,Women@CDU #kommunal‘ ins Leben gerufen“, berichtet Stumpp. Dort sollen sich vor allem kommunalpolitisch aktive Frauen vernetzen und Erfahrungen austauschen. Diesen Ansatz, das Engagement der Frauen in der CDU von der Basis nach oben organisch wachsen zu lassen, werde „ausdrücklich von Friedrich Merz begrüßt und gefördert“, sagt Stumpp.
Interessant ist, dass sie wenig davon hält, durch „dezidiert frauenpolitische Forderungen“ mehr Wählerinnen anzuziehen. Das gelinge besser „durch eine Politik, die generell das Lebensgefühl von Frauen stärker in den Mittelpunkt stellt“. Als Beispiel nennt sie das Thema innere Sicherheit. „Um Frauen anzusprechen und ihre Interessen zu vertreten, müssen wir sicherstellen, dass Heimwege und Fahrten im ÖPNV sicher sind“, sagt Stumpp. „Und wenn wir eine Politik machen, die die Zukunftschancen unserer Kinder verbessert, ist das auch ein Weg, Frauen für uns zu begeistern.“
Will die CDU-Führung den Abschied vom Merkel-Kurs?
Vielleicht ist es tatsächlich irreführend, die Abgänge unter der Rubrik „Frauenprotest“ abzuspeichern. Es geht um Inhalte. Verabschiedet die CDU-Führung gezielt die Merkel-Zeit? Darüber wird nun in der CDU diskutiert. Und das ist eigentlich nur in zweiter Linie eine Personaldebatte.
Merkel konnte mit einem liberalen Kurs städtische Milieus und auch Frauen anziehen, die nicht zur klassischen CDU-Klientel zu rechnen sind. Unter der Führung von Friedrich Merz und seinem Generalsekretär Carsten Linnemann stellt sich die Partei nun konservativer auf. Eine restriktive Migrationspolitik und eine scharfe Polemik um das Bürgergeld gehören dazu. Das gefällt nicht jedem in der Partei.
Demonstratives Lob für Hendrik Wüst
So schreibt der moderate CDU-Sozialpolitiker Uwe Schummer auf X: „Der Eindruck, Merkel habe die gesamte Union 20 Jahre verhext und die sei erst nach ihrem Abgang wieder erwacht, zeigt grenzenlose Feigheit oder enorme Dummheit.“ Der Europa-Abgeordnete Dennis Radtke lobt demonstrativ den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst: Er strahle „weit über das CDU-Kernklientel hinaus“, decke „die ganze Bandbreite der Volksparteien“ ab und führe „keine Phantomdebatten“. Deutlicher kann der Wink in Richtung Merz/Linnemann nicht ausfallen.
Obwohl, doch. Das geht. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Hamburger Spitzenkandidat Marcus Weinberg ist gerade aus der CDU ausgetreten. Seine Haltung, die auf „Zusammenhalt und Solidarität statt auf Populismus und Polarisierung“, und sein Politikverständnis, das „auf Ausgleich und eine politische Gesamtverantwortung“ statt auf „eine verengte Wählerklientelpolitik“ setze, seien für ihn die Basis seiner CDU-Bindung gewesen, sagt er. Diese Elemente seien „nicht mehr mit der heutigen CDU so gegeben, dass sie für mich tragfähig sind“.