Eigentlich teilt der Berliner Virologe bei Twitter meist nur Studien und fachliche Einordnungen. Doch kurz vor dem Jahresende richtet er sich in einem Kommentar an jene, die gegen Corona-Impfungen sind.

Berlin - Eine Corona-Infektion lieber durchstehen, um das Immunsystem zu stärken? Immer wieder hört oder liest man solche Aussagen von Menschen, die gegen Impfungen sind. Der Berliner Virologe Christian Drosten hat dieses Argument nun in einem Tweet aufgegriffen. Anders als sonst ist es eher ein entnervter Kommentar in Richtung der Impfgegner: „Wer glaubt, durch eine Infektion sein Immunsystem zu trainieren, muss konsequenterweise auch glauben, durch ein Steak seine Verdauung zu trainieren“, schrieb Drosten.

 

Innerhalb kürzester Zeit hat der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin mit mehr als 900 000 Followern beim Kurznachrichtendienst Twitter tausende Reaktionen bekommen.

Aussagen über ein starkes Immunsystem als Schutz sind verbreitet

Er sei erstaunt, wie viele Missverständnisse und falsche Vorstellungen über Infektion, Impfung und Immunität bestünden, schrieb Drosten weiter. Die Gegenrede kommt sofort: „Durch wiederholte Nahrungsaufnahme wird das Verdauungssystem am Laufen gehalten“, argumentiert Twitter-Nutzer @UGrabowy.

Der Berliner Virologe antwortet noch einmal: „Das Immunsystem setzt sich in jeder Minute mit Infektionen oder Infektionsversuchen auseinander. Dies wäre in diesem Bild mit wiederholter Nahrungsaufnahme vergleichbar.“ Mit seinen Tweets spielt Drosten wohl auch auf die bei Querdenker-Demos immer wieder verbreitete Aussagen an, wonach das Virus einem vermeintlich nichts anhaben könne, sofern man ein gutes Immunsystem habe.

Nutzerinnen und Nutzer verweisen auf potenziell tödliche Verläufe

Ein Nutzer findet Drostens Kommentar „peinlich“: „Natürlich konfrontiert man sein Immunsystem durch Konfrontation mit Erregern.“ Wenn man dies nicht könnte, „kann man das durch eine Impfung auch nicht“, schreibt @RubensAsterias.

Auch darauf kommt eine Erwiderung, dieses mal von einem anderen Twitter-Nutzer: „Die Impfung ist quasi die Aufklärung: er sagt dem Immunsystem, mit welchen Waffen der Feind kommt. So kann es sich optimal vorbereiten. Ohne Impfung steht da plötzlich irgendwer vor der Tür und erst während des Angriffs überlegt man sich Gegenmaßnahmen.“ Andere verweisen in ihren Antworten auf potenziell tödliche Folgen einer Covid-Erkrankung und auf Long-Covid, also Spätfolgen der Infektion.

In der Vergangenheit wurde Christian Drosten immer wieder von Leuten angefeindet und bedroht, die eine Impfung ablehnen oder die Existenz der Coronapandemie komplett leugnen. Auch unter diesem Beitrag gibt es verächtliche Kommentare.

Einige Nutzerinnen und Nutzer verweisen unter Drostens Tweet beispielsweise auf Aussagen des Virologen aus der Vergangenheit, in denen er von einem „robusten Immunschutz“ durch eine Infektion sprach. Das korrigieren andere, indem sie den Berliner Virologen zitieren, der von einer Infektion nach Impfung gesprochen hatte. „Infizieren ohne Impfen ist generell schlecht^^“, schreibt @markusdd5.

Ein Starkes Immunsystem ist noch kein Garant

In der Vergangenheit hatte etwa der Immunologe Carsten Watzl davor gewarnt, sich im Hinblick auf eine mögliche Coronainfektion allein auf das Immunsystem zu verlassen. Es gebe zwar Hinweise darauf, „dass eine funktionierende Immunabwehr direkt nach der Ansteckung eine Rolle spielt“, sagte er gegenüber tagesschau.de. Das Immunsystem sei – wenn überhaupt – nur einer von vielen Faktoren, die noch gar nicht alle bekannt sind, so Watzl.

Immer wieder weisen Fachleute darauf hin, dass auch junge Menschen mit einem guten Immunsystem schwer an Covid-19 erkranken können. Eine Berliner Forschungsgruppe beobachtete zudem, dass SARS-CoV-2 einen Verteidigungsmechanismus des Immunsystems nutzt, um verstärkt Schleimhautzellen des Körpers zu entern und sich dort zu vermehren. „Die Annahme, dass hinter einem schweren Verlauf ein schwaches Immunsystem steckt, greift zu kurz“, lautete das Fazit zur Studie, die im Fachjournal EMBO Molecular Medicine erschienen ist. „Denn gerade bei kritischen Verläufen arbeitet das Immunsystem unter Hochdruck, schafft es aber nicht, das Virus zu kontrollieren.“ Vielmehr könnten antivirale Botenstoffe, mit denen das Immunsystem das Virus eigentlich bekämpfen will, dessen Vermehrung sogar begünstigen.