Die Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket bleibt groß - Vorschläge für eine Anschlussfinanzierung reißen nicht ab. Finanzminister Christian Lindner sorgt derweil mit seiner Haltung für Kritik – auch im Netz.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Während viele Deutsche das 9-Euro-Ticket nutzen, ist in der Politik eine Diskussion über eine Lösung im Gange, den öffentlichen Nahverkehr über das Ticket hinaus finanziell attraktiv zu halten. Für Kritik sorgte am Wochenende der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der im Zusammenhang mit einer Finanzierung aus dem Bundeshaushalt von einer „Gratismentalität“ sprach.

 

Dafür stünden in der Finanzplanung keinerlei Mittel zur Verfügung, sagte Lindner. Er sei von einer „Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen“ auch im Öffentlichen Nahverkehr nicht überzeugt. „Jeder Steuerzuschuss für ein nicht die Kosten deckendes Ticket bedeutet Umverteilung.“ Er halte es nicht für fair, wenn die Menschen auf dem Land, die keinen Bahnhof in der Nähe haben und auf das Auto angewiesen seien, den günstigen Nahverkehr subventionierten.

Diese Position wird von verschiedenen Seiten kritisiert. „Menschen wissen nicht, wie sie über den Monat kommen sollen, Menschen sind verzweifelt, und dann von „Gratismentalität“ zu sprechen, ist eine Frechheit“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, am Montag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. „Es wäre Aufgabe der Politik, jetzt den Personennahverkehr im ländlichen Raum auszubauen und nicht davon zu erzählen, dass es unfair wäre, wenn der eine einen Bus hat und der andere nicht.“

Viele Kritik an Lindner in den sozialen Medien

Vor allem auf Twitter wird über den Begriff „Gratismentalität“ intensiv debattiert. Dabei wird viel Kritik an Finanzminister Lindner laut. Wir haben einige Tweets gesammelt.

Andere greifen den Begriff mit einem Augenzwinkern auf oder nehmen Christian Lindner direkt auf die Schippe:

Die Debatte rund um eine Anschlusslöung ging derweil weiter. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach sich auf NDR Info dafür aus, einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket mit einer Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Energieunternehmen zu finanzieren. Es gebe Unternehmen, die durch den russischen Krieg in der Ukraine „massive Gewinne machen, ohne dass sie auch nur einen Handschlag mehr tun“, sagte Klingbeil am Montag dem Sender. „Deswegen fordere ich, dass wir eine Übergewinnsteuer auch in Deutschland einführen.“

Bundesweite 38 Millionen Tickets verkauft

Seit dem Verkaufsstart Ende Mai bis einschließlich Montag sind dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge bundesweit 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. „Hinzu kommen die jeweils etwa zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, die monatlich das vergünstigte Ticket automatisch erhalten“, teilte der Verband am Montag mit. Ferienbedingt habe der VDV lediglich einen leichten Rückgang bei den Verkäufen festgestellt.

„Die aktuellen Zahlen bestätigen nach wie vor unsere Prognose von monatlich etwa 30 Millionen 9-Euro-Tickets“, hieß es von VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Dafür müssen allerdings die rund zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten, die sich nicht extra ein 9-Euro-Ticket kaufen mussten, jeden Monat neu mitgezählt werden.

Erste Studien zur Wirksamkeit des 9-Euro-Tickets

So würden diejenigen stärker belastet, die ohne eigenes Zutun mehr verdienten. Mit dem Geld könne die „dringend notwendige“ Nachfolge für das 9-Euro-Ticket bezahlt werden. „Dass wir dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger weiter kostengünstig den öffentlichen Nahverkehr nutzen können, das sollten wir hinkriegen“, sagte Klingbeil. „Das Geld ist da, wir müssen es nur haben wollen.“

Derweil haben die ersten Auswertungen mehrerer Studien rund um das 9-Euro-Ticket ergeben, dass die Sonderfahrkarte zwar durchaus Wirkung zeige, aber kaum alle Hoffnungen und Ziele erfüllen könne. „Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den Öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen“, sagt etwa Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).