Als Direktor der Staatsgalerie Stuttgart hat sich Christian von Holst früh dafür eingesetzt, dass Kunst für alle da sein sollte. Jetzt wird er 70 Jahre alt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Natürlich gehen nicht alle Erfolgsgeschichten auf ihn zurück. Aber es ist unbestreitbar: die zwölf Jahre, in denen Christian von Holst die Staatsgalerie Stuttgart geleitet hat, waren erfolgreich. Der Erweiterungsbau der Schweizer Architekten Wilfried und Katharina Steib und der Ankauf der "Grauen Passion" von Hans Holbein fallen ebenso in seine Zeit wie die großen Ausstellungen zu Gauguin und Franz Marc, Manet und Monet, Pissarro und Picasso. Dafür ist von Holst sogar zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden - wegen seiner Verdienste um die französische Kunst

 

Am Freitag wird Christian von Holst siebzig Jahre alt. Und aus der Distanz zeigt sich sein eigentliches Verdienst umso deutlicher: 1997 regte der Unternehmensberater McKinsey eine Studie an - und die Staatsgalerie startete ein herausragendes Pilotprojekt. McKinsey etablierte - inzwischen auch im Kulturbereich völlig gängige - Begriffe wie Marketing, Sponsoring und Fundraising im Haus. Entscheidender ist die inhaltliche Dimension des "Stuttgarter Aufbruchs", die am Eingang auf einer Eisentafel festgeschrieben wurde: "Die Kunst braucht den Betrachter, der Betrachter braucht die Kunst."

Damit setzte von Holst beherzt um, was sich damals erst diffus in der Gesellschaft abzeichnete: eine Öffnung der Institutionen und eine stärkere Teilhabe der Bevölkerung am Kulturleben. Dabei ging es nicht nur darum, mehr Besucher an der Kasse zu verbuchen, sondern es wurde der Weg geebnet für eine aktiven Mitarbeit der Menschen im Museum - als Ehrenamtliche oder in Kunstclubs. "Wir müssen uns um jeden Besucher bemühen", sagte von Holst und meinte das durchaus ernst. Der Stuttgarter Galerieverein blühte entsprechend auf und wuchs auf 13000 Mitglieder an.

Christian von Holst - ein Mann klarer Worte

32 Jahre war von Holst an der Staatsgalerie. Der gebürtige Danziger hat Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften und Klassische Archäologie in München, Florenz und Berlin studiert und fing 1975 als Wissenschaftlicher Referent und Konservator für das 19.Jahrhundert in der Staatsgalerie an. Nebenher betrieb er noch die Öffentlichkeitsarbeit. Heute undenkbar.

Als Baureferent begleitete von Holst Planung und Bau der Neuen Staatsgalerie und ebnete sich dadurch den Weg, Nachfolger von Peter Beye zu werden. Er erwies sich als dynamischer und zupackender Museumsdirektor. Er gilt als smart, wobei er keiner ist, der herumlaviert oder sich vor klaren Worten drückt. So hat von Holst die Interessen des Hauses bei der Politik klar vertreten, präsentierte sich und seine Kollegenschar dabei gern als munteren Haufen, auch wenn es hinter den Kulissen Konkurrenz und Konflikte gab.

Aber von Holst wusste die Qualitäten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen: Er setzte auf Christoph Becker, der Ausstellungen rund um den Bestand machte - zu Johann Heinrich Füssli oder Paul Gauguin. Gudrun Inboden versuchte dagegen, die Defizite in der zeitgenössischen Kunst durch aktuelle Ausstellungen auszugleichen. Von Holsts eigentliche Leidenschaft galt Publikumsausstellungen im Bereich der klassischen Moderne. Seine Abschiedsschau "Claude Monet - Felder im Frühling" war ein kulinarischer Leckerbissen, aber auch sehr berechenbar.

Auch der positive Stuttgarter Aufbruch hatte seine Kehrseite. Er bescherte der Staatsgalerie eine Rüge des Rechnungshofes, und der Nachfolger Sean Rainbird hatte viel zu tun, die damit verbundenen Probleme im Stellenplan auszubügeln. Heute ist die Sammlung komplett umgehängt, die grünen, blauen und gelben Wände, die von Holst initiierte, sind übertüncht. Die Sommerfeste, bei denen sich tout Stuttgart traf - vorbei. Eines aber ist heute selbstverständlich, wofür von Holst einst kämpfen musste. Als er Erläuterungstexte an den Werken anbringen wollte, warf ihm ein älterer Kollege noch "McDonaldisierung der Kultur" vor.