Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff rät auf dem Kirchentag in Stuttgart zu Gelassenheit im Umgang mit Krisen. Zwei Sätze seiner Großmutter haben ihm durch seine schwere Zeit hindurch geholfen.

Stuttgart - Christian Wulff ist vorsichtig geworden: In dem, was er sagt, und wie er es sagt. Der 55-Jährige gibt auf dem Kirchentag zu Beginn der Bibelarbeit in der Liederhalle vor mehreren hundert Zuhörern schnörkellos zu: „Es ist ein schwieriger Text, den mir die Kirchentagsleitung gegeben hat.“ Der Altbundespräsident darf sich mit einer Stelle aus dem alttestamentarischen Buch Kohelet auseinander setzen. Das Thema: „Klug sein angesichts der Unergründlichkeit des Lebens.“

 

Wulff beschäftigt sich lang mit dem Text, liest nüchtern Passagen daraus vor, bis er zaghaft den Bogen spannt zu seinen Erfahrungen, wie „ich mit Tiefschlägen umgehe“. Er erzählt, wie nach den Turbulenzen um seinen Rücktritt vom Amt des Staatsoberhauptes es ihm gut getan habe, mit Freunden beim Pilgern auf dem Jakobsweg neue Kraft zu schöpfen. „Erst beim Wandern in der Natur stellt man fest, wie wenig es für ein glückliches Leben braucht“, so Wulff.

Umwege im Leben müsse man respektieren

Aber wie nun Schwierigkeiten, Niederlagen und Rückschläge im Leben meistern? Wulff rät, gelassen damit umzugehen. Sie seien selbstverständliche Zugaben des Lebens, „durch die wir wachsen und reifen“. Umwege im Leben müsste man respektieren – und gelassen annehmen. Wenn einmal alles gut laufe, „hüten wir uns vor der Hybris, zu denken, dass es uns gut geht, weil wir alles richtig machen.“ Dinge, das weiß der Politiker und Rechtsanwalt aus Erfahrung, können sich schnell ändern. Zwei Sätze seiner Großmutter, die 102 Jahre alt wurde, hätten ihm während seiner Krise geholfen. „Alles ist für etwas gut. Und alles hat zwei Seiten und auch aus der Niederlage lässt sich meistens etwas lernen.“

Auch wenn er wenig Persönliches preis gibt an diesem Vormittag, eines muss er dann doch festhalten: „Ich bin nicht verbittert. Ich bin nicht wieder der Alte. Ich hoffe, mich entwickelt zu haben.“ In schwierigen Situationen zu wachsen, das wünscht er auch den Menschen im Saal. Und dann taut Wulff kurz auf, wird witzig, hat die Lacher auf seiner Seite: Der australische Botschafter schenkte ihm einst Manschettenknöpfe mit Kängurus drauf. „Das ist“, sagt Wulff frotzelnd, „bislang noch nicht aufgedeckt“. Der Botschafter schrieb dazu: Kängurus können nur nach vorne laufen.

Immer wieder aufstehen, vorangehen, ganz unbeirrt – und in Krisenzeiten nicht den Glauben verlieren. Das hat der Katholik Wulff in der Vergangenheit gelernt.