Der verlassene Harry gibt nicht auf und bedrängt die Ex in dem Buch „Love@Miriam“ online. Die Autorin Christiane Geldmacher erzählt das gallig komisch. Am liebsten würde man „Gefällt mir“ klicken.

Stuttgart - Facebook lockt immer neue Nutzermillionen mit seinen Möglichkeiten, den eigenen Alltag mit dem von Freunden und Bekannten zu verknüpfen. Allerdings ist Facebook damit auch das Werkzeug der Wahl für Stalker, Schwätzer, Nervensägen. Christiane Geldmachers Facebook-Krimi „Love@Miriam“ erzählt von diesem Aspekt des sozialen Netzwerks, aber weder mit verspätetem Aufklärungseifer noch mit besserwisserischer Schadenfreude.

 

Bedrängen auf allen Kanälen

Aus der Sicht eines abservierten Ex-Freundes namens Harry Weingarten wird hier die Kampagne geschildert, eine gewisse Miriam zurückzuerobern – zunächst tatsächlich mittels der kleinen Aufmerksamkeitserzeuger von Facebook selbst, mit Hilfe von Gefällt-mir-Klicks, regelmäßig geposteten Bildern aus glücklicheren Tagen und Kommentaren zu Miriams Einträgen. „Love@Miriam“ ist tagebuchartig in kleinen Kapiteln geschrieben, übernimmt also den Rhythmus von Facebook.

Dass der dreißigjährige Harry nebenher andere Mittel des Bedrängens nutzt, dass er Miriam den Anrufbeantworter vollquatscht und eine SMS der anderen folgen lässt, erfahren wir bald. Aber Harry wird noch rühriger in der Körperwelt. Er sucht die Kneipen ab, in denen Miriam sich – laut Facebook – gerade mit ihrem neuen Freund aufhält. Harry fordert diesen Ben, mit dem er einen aussichtslosen Popularitätswettkampf auf Facebook führt, zu Aussprachen auf, es setzt Hiebe, und nach einiger Zeit lässt Harry seine Mordfantasien Wirklichkeit werden.

Das Glück der Dummen

Einerseits führt „Love@Miriam“ die Liebeswahnromane von Patricia Highsmith und Ruth Rendell weiter ins Heute. Zwar muss man bei der Lektüre oft laut lachen. Doch bringen Harrys Potenzial zum Selbstbetrug, sein Umdeuten aller klaren Signale, sein Verdrängen des eben noch halb Begriffenen, sein Anspruchsdenken ohne Grundlage, seine Möchtegern-Schlauheiten gekoppelt mit dem Glück der Dummen unser Empfinden für Realität, Relationen und Gerechtigkeit zum Aufschäumen.

Andererseits entwickelt Geldmacher den Krimiplot mit einer Beiläufigkeit, die der Besessenenperspektive von Harry entspricht. Dem ist der Stand seiner Scheinbeziehung zu Miriam wichtiger als der Stand der polizeilichen Ermittlungen. Der Autorin lässt das Luft, die Interaktionen auf Facebook zu schildern, will heißen, eine hochkomische Einführung in die Kränkungs- und Zurücksetzungsmöglichkeiten, Selbstzweifelauslöser und Rangkampfantriebe in sozialen Netzwerken zu liefern. Das aber tut Christiane Geldmacher mit den Insiderkenntnissen und der Verständnistiefe von einer, die sich nicht schnell etwas angelesen hat, sondern seit Langem selbst im Netz aktiv ist.

Ihr Harry und die Typen um ihn her, die sie uns nur durch seinen Filter zeigt, sind unterhaltsam defekt. Aber es sind eben nicht jene anderen, auf die man so gerne weist. Das schaurig Schöne ist, dass man auf keine klare Grenze verweisen kann, an der die eigene, natürlich ganz und gar gesunde Facebook-Nutzung aufhört und die sehr kranke von Harry anfängt.