Am Mittwoch wird Christoph Daum 65. Der Meistertrainer des VfB Stuttgart blickt auf ein so bewegtes Leben zurück, dass er gar nicht weiß, wovon er zuerst erzählen soll.
Köln - Die Erinnerung an einen der schönsten Momente seines 65 Jahre langen Lebens sucht Christoph Daum mit beiden Zeigefingern. Etwas hölzern tippt er auf die Computertastatur, aber nach kurzer Zeit hat er das Lied im Internet gefunden. Im Büro seiner Kölner Villa ertönen plötzlich ein paar schräge Klänge, die sich wie eine exotische Version von „Zum Geburtstag viel Glück“ anhören. Es erinnert ihn an den 24. Oktober vor 15 Jahren.
„Ich war damals Trainer von Fenerbahce Istanbul und wir hatten am Tag meines 50. Geburtstags ein Spiel“, erzählt Daum. „Ich komme also vor dem Spiel ins Stadion, alles wie immer, aber plötzlich geht das Licht aus. Und dann leuchten auf einmal 52 000 Wunderkerzen auf und die Fans singen für dich.“ Das sei ergreifend gewesen, sagt er. Er steht mittlerweile in seinem Büro und singt mit: „Mutlu Yillar Sana“, die türkische Version von „Zum Geburtstag viel Glück“.
VfB-Meisterschaft und Wechselfehler
An diesem Mittwoch nun wird Christoph Daum wieder einen Geburtstag feiern, aber es werden natürlich nicht mehr so viele Menschen für ihn singen. Er ist mit seinem besten Freund seit Sonntag für eine Woche auf Mallorca. Die beiden stehen morgens auf, starten mit „einem richtig gesunden Frühstück“, dann geht es für „sechs, sieben Stunden“ auf den Golfplatz und anschließend zurück in Daums Ferienhaus. Abends wird dann meistens Fußball geschaut. Und weil Mittwoch ja ein Champions-League-Abend sei, wisse er noch gar nicht, ob er an seinem 65. Geburtstag noch ein paar weitere Freunde treffe oder nicht.
Planen muss er schon lange nicht mehr. Seit seinem Aus als rumänischer Nationaltrainer im September 2017 ist Daum ohne Trainerjob. An ein Ende seiner Karriere denkt er aber noch lange nicht, weil ihn nach wie vor der Traum von der Teilnahme an einer Welt- oder Europameisterschaft antreibt. Zehn Titel hat er in über 30 Jahren als Vereinscoach gewonnen – darunter 1992 die Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart. Sein Leben in und außerhalb der Stadien ist geprägt von Erfolgen, Kuriositäten und Pannen. Man denke nur an den Wechselfehler von Leeds und die verpasste Teilnahme mit dem VfB an der Champions League. Den meisten in Deutschland wird bei dem Namen Christoph Daum aber trotzdem noch immer zuerst das einfallen, was er als die schlimmste Zeit in seinem Leben beschreibt.
„Würde heute vieles anders machen“
„Natürlich würde ich heute vieles anders machen. Aber mein Leben ist nicht mit Bleistift geschrieben. Es lässt sich nicht ausradieren“, sagt er mit Blick auf den Kokain-Skandal, der ihn 2000 seinen Lebenstraum kostete: den Job als Bundestrainer. Als das positive Ergebnis seiner Haarprobe vorliegt, fliegt der damalige Coach von Bayer 04 Leverkusen schon Stunden später in die USA. Erst nach Monaten kehrt Daum zurück und gibt den Konsum von Kokain zu. Als Trainer arbeitet er anschließend hauptsächlich im Ausland weiter und gewinnt trotz allem weitere Titel. Den 1. FC Köln führt er 2008 zurück in die Bundesliga.
Aber all das bleibt in den Köpfen vieler Fußball-Fans klein, weil der Skandal damals so groß war. Daum hat damit abgeschlossen wie mit so vielem in seinem bewegten Leben. Den langen Streit mit Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß gibt es schon seit ein paar Jahren nicht mehr. Hoeneß habe sich nach seiner Zeit im Gefängnis telefonisch bei ihm gemeldet, erzählt er. Danke, dass du dich während meiner Zeit im Gefängnis nicht kritisch oder schadenfroh geäußert hast, habe Hoeneß sinngemäß gesagt. „Aber das wäre mir nie in den Kopf gekommen. Ich wünsche keinem, dass er durch so eine Phase muss. Ich habe ja 2000 Ähnliches durchmachen müssen“, sagt Daum.
Die Versöhnung mit Uli Hoeneß
Hoeneß hätte in der gesamten deutschen Fußball-Branche wohl niemanden anrufen können, der das besser hätte nachvollziehen können. Daum möchte aber nicht lange über das Thema reden. Es geht schließlich um seinen Geburtstag. Aber welche verrückte Geschichte soll man denn hervorheben aus diesen 65 Jahren? Die drei Vize-Meisterschaften mit Leverkusen? Die 40 000 D-Mark, die er mal zur Motivation seiner Mannschaft vor einem Bundesliga-Spiel an die Kabinentür hat kleben lassen? Besondere Gespräche mit Richard von Weizsäcker, Gerhard Mayer-Vorfelder oder Johan Cruyff? Daum weiß es selbst nicht. Er sagt: „Ich habe das Gefühl, dass es viel mehr als 65 Jahre waren.“