Ein Museum, das muss nicht verzopft und altbacken sein. Seit sieben Jahren gestaltet Christoph Fricker die Ausstellungen im Kindermuseum im Alten Schloss. Ein Gespräch über Fußballschuhe, Handys, große und kleine Schwaben und das Echte an sich.

Stuttgart - Ein Museum, das muss nicht verzopft und altbacken sein. Seit sieben Jahren gestaltet Christoph Fricker die Ausstellungen im Kindermuseum im Alten Schloss. Ein Gespräch über Fußballschuhe, Handys, große und kleine Schwaben und das Echte an sich.

 
Herr Fricker, Kinder im Museum, prallen da Welten aufeinander?
Ich würde das ungern so bezeichnen. Das würde ein altmodisches Bild vom Museum wiedergeben, das so nicht wahr ist. Viele Menschen glauben ja, Museen bestehen aus Objekten, die von Menschen bewacht werden. Das stimmt natürlich überhaupt nicht.
Sondern?
Als Institution mit langer Tradition und Geschichte berufen wir uns auf unsere Stärken. Wir erzählen Geschichte und Geschichten. Wir haben eine großartige Sammlung mit mehr als einer Million Objekten. Wir orientieren uns an der regionalen Geschichte, wir beziehen immer das echte Objekt mit ein. Damit fahren wir sehr gut.
Aber alle Welt nutzt neue Medien?

Wir sind neuen Medien sehr aufgeschlossen. In der Ausstellung „Sieben Superschwaben“ nutzen wir relativ viel Medien. Sie gehören dazu, auch zur Lebenswelt der Eltern, die nämlich auch gerne und oft aufs Smartphone schauen. Kinder ab vier Jahren fragen aber: Ist das echt?

Was ist heutzutage noch echt?
Genau. Das ist eine sehr altertümliche, aber zentrale Frage. Es gibt schon bei Kindern das Bedürfnis nach etwas Bewahrenswertem, nach Kultur. Da zeigt sich der Wunsch nach etwas Echtem, nach Wurzeln. Deshalb zeigen wir auch immer die echten Objekte, in kleinerer Zahl, trotzdem haben die eine Bedeutung. Wenn sich das einrichten lässt, darf auch einmal ein Objekt angefasst werden. So wie in der letzten Ausstellung.
Was war das?
Ein römischer Ziegel. Weil wir auch den Respekt wahren wollen, musste dafür natürlich auch erst die Vitrinentür geöffnet und die Handschuhe angezogen werden. Dass da auch wirklich klar war, da geht es um etwas Bedeutendes.
So bekommt man Kinder ins Museum?
Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Ausstellungen kindgerecht zu machen, aber nicht kindisch zu sein. Das Klischee, Kinder brauchen nur bunte Bälle und fröhliche Farben, das ist natürlich Quatsch.
Und die Kinder bringen dann die Eltern mit?
Wir sind mit dem Kindermuseum ein Ort geworden, der die Familien anspricht. Wir haben sehr viele Kinder, Gruppen von Kitas und Grundschulen, aber auch ganz viele Familien, die wir früher so nicht im Haus gehabt hätten. Ein jüngeres Publikum, das kaum Zeit hat zwischen Beruf und den Kindern, das haben wir zu uns ins Haus geholt. Und den ein oder anderen Text hier, den haben wir für die Eltern geschrieben. Denn die Eltern sind wunderbare Vermittler.
Aber manche Eltern haben mit einem Museum gar nichts am Hut.
Wir dürfen unseren Auftrag nicht vergessen, wir wollen die Jungen für diese Institution begeistern, dass sie durch diese dicken Mauern in den Innenhof eindringen. Und man muss natürlich gucken: Wie kommen wir in die Lebenswelt der Menschen? Wenn die Kinder mit der Schule und der Kita hier waren, bringen sie die Eltern mit. Deshalb setzen wir auf Gespräche mit Erziehern und Lehrern, zeigen ihnen, was das Museum zu bieten hat. Die Menschen, die als Kind ins Museum gehen, die kommen als Erwachsene wieder. Kommen sie schon im Vorschulalter, ist die Wahrscheinlichkeit noch viel größer.
Und was gefällt Kindern?
Wenn ich mich schnell in ein Thema vertiefe, freue ich mich sehr, wenn ich die „Sendung mit der Maus“ anschauen kann. Da lernt man vieles. Man muss immer vom Kind her denken. Und dann habe ich eine entsprechende pädagogische Ausbildung. Der Kontakt mit Kindern ist wichtig. Die Biografien und Verhaltensweisen ändern sich ja ständig. Denken Sie an die Smartphones oder an die Ganztagsbetreuung. Und dann haben wir unseren Kinderbeirat.
Was ist das?
Wir haben den Kinderbeirat 2009 vor dem Start eingerichtet. Wir haben versucht, da einen Querschnitt hinzubekommen, nicht nur Kinder aus ohnehin kulturaffinen Familien. Das ist uns ganz gut gelungen. Wir haben mit 20 Mitgliedern begonnen, zurzeit haben wir ein Dutzend. Die treffen sich regelmäßig, wir stellen ihnen den Stand des Projekts vor, lassen unsere Aktionen testen und ernten Vorschläge und Kritik.
Wie funktioniert das?
Nehmen wir die aktuelle Ausstellung. Da haben wir die Kinder gefragt: Was versteht ihr unter Schwaben? Da gab es welche, die schwätzen Schwäbisch, die sind hier verwurzelt, die konnten mit diesem Begriff nichts anfangen. Deshalb haben wir einen anderen Ansatz als die Klischees wie Fleiß und Kehrwoche gesucht.

Welchen?
Das ganze Museum muss sich auf das Thema einlassen: Identität. Wir bewahren Kultur. Wir haben sie verdinglicht. Dieses Bewahren kann ja nur funktionieren, wenn die Besucher selbst ihre eigenen Wurzeln finden, bevor sie gesellschaftliche Wurzeln weitertragen. Es geht ums eigene Erspüren. Wir haben es deshalb im Jungen Schloss an Menschen geknüpft, an die Superschwaben wie Gottlieb Daimler, Sophie Scholl und Sami Khedira.