Er tauchte auch in „Herr der Ringe“ und „Star Wars“ auf: Christopher Lee alias Dracula ist 93-jährig gestorben. Thomas Klingenmaier verabschiedet ihn mit einem Nachruf.

Stuttgart - Könnten Sie bitte einmal Ihren Hals frei machen?“ Nein, diesen Satz könnte man sich aus dem Mund eines von Christopher Lee gespielten Vampirs nicht vorstellen. Und schon gar nicht die schauerromantischen Versprechungen moderner Schnulzensauger, auch ein totes Herz könne noch ehrlich lieben.

 

Dabei war Lees Dracula allemal eine elegante Erscheinung. Dieser Graf hätte selbst in seinem Fütterungsanzügchen mit dem albernen Umhang als geheimnisvoll verschlossener Adliger eine gute Figur auf Promipartys, bei Benefizgalas und Kulturevents gemacht. Lees Dracula, eine der prägenden Monsterfiguren des Kinos, hatte im Ruhezustand etwas Mondänes.

Aber Dracula blieb ja nicht im Ruhezustand, er ließ das pure Bestientum aus sich heraus, fletschte die Zähne, stierte mit einem Blick aus Feuer und Hass, sprang voran als pure Aggression, als sexuelle gegen Frauen wie als revierbehauptend dominante gegen Männer. Der Brite Lee, der am 27. Mai 1922 als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Contessa zur Welt gekommen war, gab für die Hammer-Studios in den Sechzigern und Siebzigern in Serie einen Vampir, der jüngere Geschichtserfahrungen reflektierte: dass Zivilisation im Nu in rasende Primitivität kippen kann.

Die Hammer-Studios waren an solchen Subtexten aber gar nicht weiter interessiert. Lees Grimm darüber, dass man ihn in   zweifelhaften Produktionen verheizte, wuchs. Bei „Dracula: Prince of Darkness“ (1965) seien die ursprünglichen Dialoge so unterirdisch miserabel gewesen, hat er später beteuert, dass er sich geweigert habe, sie zu sprechen. Tatsächlich zischt und fauchte sein Dracula da nur noch.

Im Alter bekam der vielseitige, oft unterschätzte Lee eine prägnante Rolle als Saruman in den „Herr der Ringe“-Filmen, in der „Star Wars“-Reihe trat er als Count Dooku auf, und immer wirkte er weit über die paar Szenen hinaus, in denen er vor der Kamera stand, so wie er sich früher über die intellektuellen Beschränkungen der Hammer-Skripts erhoben hatte.

Am 7. Juni ist Christopher Lee im Alter von 93 Jahren in London gestorben, aber es besteht Anlass zur Hoffnung, dass er über solch läppische Grenzen wie jene des irdischen Lebens noch eine Weile hinaus wirken wird. Man muss ihn nur einmal als Dracula gesehen haben, um den Gedanken nie mehr loszuwerden, dass es Wesen in Menschengestalt gibt, für die man nur Beute ist.