Erstmals seit 2000 könnte es in diesem Sommer keinen Schirmherren für das Festival geben. Der CSD sucht diesmal einen Repräsentanten aus der Wirtschaft – und hat bisher nur Absagen bekommen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Seit zwölf Jahren feiern die Schwulen und Lesben immer Ende Juli den Christopher Street Day in Stuttgart. Erstmals seit 2000 könnte es in diesem Sommer keinen Schirmherrn für das Festival und die Parade geben. Bis „allerspätestens“ Mitte Juni müssten sie jemanden aus der Wirtschaft gefunden haben, sonst bleibe der Posten frei, erklärt der Gesamtleiter der Veranstaltungsreihe, Christoph Michl von der Interessengemeinschaft Christopher Street Day (IG CSD).

 

Michl gibt zu, inzwischen „fast resigniert“ zu haben. „Wir hätten nicht gedacht, dass das Thema ein so schwieriges für die Wirtschaft ist“, sagt der CSD-Vorstand. Dass man explizit nach jemandem aus der Wirtschaft suche, hänge mit dem diesjährigen Motto zusammen: „Gleichbeschäftigt – Lesben und Schwule aus dem Schrank“. Das Thema Gleichberechtigung und Coming-out am Arbeitsplatz werde im Fokus stehen, erklärt Michl. Wegen der Oberbürgermeisterwahl im Oktober habe man zudem das Amt nicht mit einem Parteipolitiker besetzen wollen.

Für viele Firmen ist Homosexualität wohl kein Thema

Fünf Anfragen habe man nacheinander seit vergangenem September verschickt, um nach längeren Wartezeiten jedes Mal nur eine Absage zu erhalten. Daraufhin habe man sich zu der ungewöhnlichen Maßnahme einer „öffentlichkeitswirksamen Stellenausschreibung“ in Schwulenmagazinen entschieden. „Vielfalt und Gleichberechtigung sind für Sie hohe Güter? Dann sollten wir uns dringend unterhalten“, war die Anzeige überschrieben. Nicht nur Vorstände oder Geschäftsführer würden infrage kommen, sondern auch Diversity-Verantwortliche in mittelständischen oder größeren Unternehmen aus der Region, so Michl. Bisher habe sich aber niemand gemeldet. Der CSD-Gesamtleiter befürchtet, dass sich daran auch nichts mehr ändert. „Sollte dieses Amt frei bleiben, ist das natürlich auch ein Statement“, sagt Michl. Offenbar sei für viele Unternehmen Homosexualität kein Thema. Als Signal wertet der Vorstand in diesem Zusammenhang auch, dass die Industrie- und Handelskammer der Region auf ihre Anfrage hin kein Grußwort geschrieben habe. „Das finde ich enttäuschend, die IHK ist das Sprachrohr der Unternehmen“, sagt Michl.

Die Absage liege nicht daran, dass man den CSD ablehne, versichert der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Bernd Engelhardt auf Anfrage. Man setze sich aber nicht mit gesellschaftspolitischen Problemen in Betrieben auseinander und habe keinen Anknüpfungspunkt mit dem Thema des CSD gesehen. „Das ist nicht unser Aufgabengebiet“, sagt Engelhardt. Deshalb habe man kein Grußwort geschrieben.

In der Vergangenheit gab es viele prominente Fürsprecher

Kein Problem mit dem Grußwort hatte man dagegen bei der Handwerkskammer : „Im Handwerk zählt nicht, wo man herkommt, wie man denkt oder fühlt. Sondern es zählt, wo man hinwill“, schreibt der Präsident der Handwerkskammer Region Stuttgart, Rainer Reichhold. Er hat angekündigt, zur Eröffnungsgala am 20. Juli im Friedrichsbau-Varieté zu kommen.In der Vergangenheit konnte der CSD viele prominente Fürsprecher als Schirmherren gewinnen, darunter etwa die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Jahr 2010 oder den ehemaligen und damals noch amtierenden VfB-Präsidenten Erwin Staudt im Jahr 2009. Auch Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat im vergangenen Jahr nicht gezögert, den Posten zu übernehmen, um „für Toleranz und Respekt“ zu werben.

Natürlich hätte der CSD in diesem Jahr einen schwulen Unternehmer aus der Community ansprechen und ihm die Schirmherrschaft antragen können. Aber das wolle man aus Prinzip nicht. „Das bringt uns nichts“, sagt Christoph Michl. Wenn ein heterosexueller Wirtschaftslenker sage, er habe kein Problem damit, sei das etwas ganz anderes.