Nach 45 Jahren gibt Patrick Strub, der Künstlerische Leiter des Christophorus-Symphonie-Orchesters Stuttgart, den Dirigentenstab weiter. Aus einem „chaotischen Haufen“ hat er einen qualitativ hochstehenden Klangkörper geformt. An diesem Donnerstag gibt er sein Abschiedskonzert.
Das Christophorus-Symphonie-Orchesters (CSO) hat einen großen Auftritt. Wieder mal. Am Donnerstag, 5. Dezember, 20 Uhr, spielen die Laienmusiker im Beethovensaal in der Liederhalle. Auf dem Programm stehen: „Felix Mendelssohn: Ouvertüre Ruy Blas, Carl Reinecke: Konzert für Flöte und Orchester, D-Dur und Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 (Eroica) – unter der Leitung von Patrick Strub“. Unter wem sonst? Der in Stuttgart aufgewachsene und in Remseck wohnhafte Strub hat die Leitung des Orchesters gefühlt schon immer inne. Genauer gesagt seit 45 Jahren. So lange wie kein anderer Dirigent. Ihm selbst ist jedenfalls keiner bekannt, der länger ein namhaftes Orchester dirigiert hätte.
„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt aufzuhören“
1979 trat Strub beim Christophorus-Symphonie-Orchester, das nach dessen erstem Probeort, der evangelischen Christophkirche benannt ist, erstmals als Dirigent ans Pult. Seitdem ist er mit dem zehn Jahre zuvor gegründeten Klangkörper förmlich verschmolzen. Das CSO ohne Patrick Strub, das ist wie eine Geige ohne Saiten, wie eine Pauke ohne Schlägel. Und doch ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo der inzwischen 76-Jährige die künstlerische Leitung des Orchesters in andere Hände legt. Das Konzert am Donnerstag wird deshalb Strubs letztes mit dem CSO sein. Der Marathon-Mann unter den Dirigenten tritt ab. Die Entscheidung hat er bereits im Juni getroffen. Alles sei wohl überlegt, sagt er: „Ich stehe noch voll im Saft und hätte sicher noch Energie für ein oder zwei weitere große Konzerte“, sagt Strub. Er spüre aber auch, dass er langsam an Grenzen komme: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“ Das heißt nicht, dass er sich ganz zurückziehen wird. Strub, der aus einer Musikerfamilie stammt und selbst Geige spielt, setzt sein Engagement bei dem von ihm 1984 gegründeten Kammerorchester arcata stuttgart fort. Er bleibt auch Künstlerischer Leiter und Chefdirigent der Jungen Waldorfphilharmonie.
Patrick Strub war anfangs auch als Pädagoge gefordert
Auf seine Arbeit beim CSO blickt Patrick Strub glücklich und stolz zurück. Als er aus Hamburg kommend 1979 hier antrat, war nicht zu erwarten, dass sich aus dem kleinen Laien-Orchester etwas Großes entwickeln könnte. Er traf auf einen „chaotischen, diskussionsfreudigen Haufen“. „Anfangs kamen gerade mal drei Leute pünktlich zur Probe“ , erzählt Strub. „Nach 40 Minuten waren es dann immerhin so viele, dass wir spielen konnten.“ „So ging’s natürlich nicht!“, das ließ Strub auch die jungen Musiker, meist ehemalige Schüler des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums und der Waldorfschule, wissen.
Über seinem Dirigenten-Profil steht der Leitspruch: „Dirigieren ist die Kunst zu wissen, wann man das Orchester nicht stören soll“ – ein Zitat von Herbert von Karajan. Im Fall des CSO musste er anfangs allerdings kräftig stören. Stück für Stück reifte das Orchester unter seinem musikalischen und pädagogischen Dirigat heran. Man wuchs zu einer Gemeinschaft zusammen. Strub genoss diese „Jahre des Aufbaus“, in denen die Kultur breit gefördert wurde. „Es kamen immer mehr junge Leute dazu.“ Irgendwann war die Kirche zu klein. Eine Zeit lang spielte man in der Alten Reithalle. Vor allem spielte man jetzt auf hohem Niveau.
Den musikalischen „Rolls Royce“ steuert künftig Gustav Kollmann
Strub mag den Ausdruck „semiprofessionell“ nicht. Im Kern aber ist es das, was der scheidende Dirigent im CSO heute sieht: „Eines der besten aus engagierten Musikliebhabern bestehenden Orchester“. Aus Sicht des CSO klingt das so: „Patrick Strub formte das Orchester im Laufe der Jahre mit Hilfe seines ansteckenden Enthusiasmus, außerordentlicher Musikalität und effizienter Probenarbeit zu einem großen, heute gut 90 Mitglieder zählendem Symphonieorchester, das sich aus Musikliebhabern aller Berufsgruppen, aus Schülern, Studierenden aller Fakultäten sowie hauptberuflichen Musikern zusammensetzt.“
Sein Nachfolger, Gustav Kollmann, spricht von einem „Rolls Royce“. Das bildet sich auch in der intensiven Konzerttätigkeit ab. Tourneen führten das Orchester quer durch Europa und bis nach Australien, Argentinien und China.
Patrick Strub ist sicher, dass sein junger Nachfolger „das hohe Niveau weiterführt“. Und natürlich bleibt er dem CSO verbunden: „In 45 Jahren sind echte Freundschaften entstanden“, sagt er mit einem leichten Wackeln in der Stimme.
Musikalische Aktivitäten
Aktivitäten
Patrick Strub, der Musikwissenschaft und Psychologie studierte, ist musikalisch vielfältig engagiert. Als Gastdirigent leitete er etliche Kammer- und Sinfonieorchester, wie das Slowakische Kammerorchester, das City of Kobe Orchestra/Japan, die Radio-Sinfonieorchester in Stuttgart und Bratislava, das Queensland Philharmonic Orchestra/Australien, das Radio-Sinfonieorchester Peking, das Madison Symphony Orchestra/USA und das Nationalorchester in Mazedonien. Einen Schwerpunkt sieht er in der Förderung junger Musiker. Das tat er als Gastdirigent an deutschen, amerikanischen, kanadischen und australischen Musikhochschulen. Außerdem war er mit dem Landesjugendorchester und dem Australian Youth Orchestra sowie auf den Festivals in Banff/Canada und Sewanee/USA.
Ehrenämter
Strub ist Vorstandsmitglied und Wettbewerbsleiter der Internationalen Hugo-Wolf-Gesellschaft und stellvertretender Vorstand des Vereins der Freunde und Förderer des SWR Symphonieorchesters Stuttgart und der Mozart Gesellschaft Stuttgart. Seit 2018 ist er auch Ehrenmitglied des Tonkünstlerverbandes.