Mit Haftstrafen ist am Freitag am Stuttgarter Landgericht der Bordellprozess zu Ende gegangen. Die Taten stehen im Zusammenhang mit dem Großbordell auf den Fildern. Weitere Prozesse sind zu erwarten.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart/Leinfelden - Mit Haftstrafen ist am Freitag am Landgericht der Bordellprozess zu Ende gegangen. Nach einem späten Geständnis ist der 21 Jahre alte Hauptangeklagte wegen gewerbsmäßigen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Der Stuttgarter, der ein Mitglied der Straßengang United Tribuns sein soll, bleibt aber auf freiem Fuß, wenn er innerhalb eines halben Jahres nachweisen kann, dass er einen Ausbildungsplatz oder einen Job gefunden hat und sich vom Rotlichtmilieu fernhält. Der 21-Jährige hatte im Prozess eingeräumt, im Jahr 2014 zwei jungen Frauen eine Liebesbeziehung vorgegaukelt zu haben, um sie auf diese Weise der Prostitution zuzuführen. Er hatte die damals 18 und 19 Jahre alten Opfer unter anderem im Großbordell Club Paradise auf den Fildern zwar nicht direkt dazu gezwungen. Strafrechtlich reicht es aber, Frauen auch mit subtileren Methoden dazu zu bewegen, dem Sexgeschäft gegen deren eigentlichen Willen nachzugehen, um sie auszunutzen.

 

Zwei Prostituierte als Komplizinnen

Eine Komplizin, die indes im Prozess abgestritten hatte, an dieser sogenannten Loverboy-Masche des Hauptangeklagten beteiligt gewesen zu sein, wurde wegen der gleichen Vorwürfe zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die 27 Jahre alte Prostituierte muss für zwei Jahre und vier Monate hinter Gitter. Belastend waren dabei unter anderen die Ergebnisse der Auswertung von abgehörten Telefongesprächen und von Chat-Protokollen der Frau im Internet. Demnach führte die Frau die beiden Opfer ins Rotlichtmilieu ein und überwachte sie.

Eine weitere Komplizin erhielt eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Die 25-Jährige, die während der zehn Verhandlungstage zu den Vorwürfen geschwiegen hat, hatte sich wie ihre 27 Jahre alte Komplizin darum gekümmert, dass eines der beiden Opfer bei der Sache blieb.

Richterin beschreibt skurrile „Familie“

Die Vorsitzende Richterin Sina Rieberg beschrieb das Zusammenwirken des „Loverboys“ und der beiden Prostituierten als geplant: „Wir haben keinen Zweifel daran, dass arbeitsteilig vorgegangen worden ist, um die jungen Frauen auszunutzen.“ Demnach fühlten sich die Täter wie eine Art „Familie“. In der Hierarchie ganz oben stand demnach ein 26 Jahre alter Drahtzieher der Loverboy- Masche, der sich als „Onkel“ bezeichnete und bisher nicht gefasst werden konnte, weil sich das ranghohe United-Tribuns-Mitglied ins Ausland abgesetzt hat. Der nun verurteilte 21-Jährige und zwei weitere junge Komplizen, gegen die ebenfalls ermittelt wird, waren demnach als „Neffen“ in Absprache des „Onkels“ mit der Aufgabe betraut, unsichere junge Frauen emotional an sich zu binden. Die Opfer wohnten bei den 25 und 27 Jahre alten Dirnen, die die jungen Frauen in die Bordelle einführten und ihnen als vermeintliche Freundinnen im Alltag halfen.

Der Prozess war mit großer Spannung erwartet worden, weil er Licht in das Rotlichtgeschäft im überregional bekannten Bordell Club Paradise bringen sollte. Nach dem Urteil vom Freitag stehen vermutlich weitere Prozesse an, in denen sich andere Personen aus dem Umfeld des Großbordells verantworten müssen. Gegen ein gutes Dutzend weiterer Beschuldigter wird noch ermittelt. Darunter ist auch Jürgen Rudloff – allerdings wegen Betrugsverdachts. Der Macher der Bordellkette, zu der auch Häuser in Saarbrücken und Frankfurt zählen, will sich offenbar aus dem Geschäft zurückziehen. Auch für das Paradise auf den Fildern sucht Rudloff Interessenten.