Von einer Elefantenhochzeit, ja gar von einer Megafusion ist derzeit in der Stuttgarter Clubszene die Rede: Denn die Partymacher des Keller Klubs steigen beim Rocker 33 ein. Der war jüngst in finanzielle Schieflage geraten.

Stuttgart - In der Clubszene wird derzeit mit Vokabeln gearbeitet, die man eher aus dem Wirtschaftsteil dieser Zeitung kennt. Von einer Elefantenhochzeit, einer Megafusion ist die Rede. Mit dem Rocker 33 und dem Keller Klub schließen sich zwei Stuttgarter Clubs überraschend zusammen. Grund: ohne frisches Geld vom Keller Klub wäre das Rocker 33 insolvent.

 

Zuerst war es nur ein Gerücht. Das Rocker 33, von der elektronischen Fachzeitschrift DeBug, der Stiftung Warentest der Clubkultur, unter die besten Locations der Republik gewählt, sei pleite. Von ausstehenden Handwerker-Rechnungen war die Rede, das Personal habe vom Azubi über den Barmann bis zum Pressesprecher wochenlang auf Gehalt warten müssen. Club-Interessierte hielten das Gerede für so wahrscheinlich wie ein Rave im Ordnungsamt, schließlich war es das Rocker 33, das in den vergangenen Jahren mit spektakulären Bookings – den besten Plattenauflegern und Programmen – reüssiert hatte.

Aus Gerüchten werden Fakten

Vergangene Woche wurden aus den Gerüchten schließlich Tatsachen: Alexander Matthies von der Firma Raum auf Zeit, der Vermieter der Immobilie, in der sich das Rocker derzeit befindet, erklärte: „Wenn wir dem Zahlungsplan zur Begleichung der Mietrückstände nicht zugestimmt hätten, hätten wir den Club schließen lassen müssen.“

Kurze Zeit später erfolgte der nächste Paukenschlag. Carlos Coelho und Jean Theodorou, die beiden Betreiber des Keller Klubs am Rotebühlplatz, erklärten ihren Einstieg im Rocker 33. Von der alten Führungsriege des Rocker bleibt nur Pejo Babic übrig. Beide Clubs sollen ihr eigenständiges Profil beibehalten.

„Die Marke Rocker 33 wollen wir wieder schärfen“, erklärt Carlos Coelho. Mit seinen Clubprojekten ist er seit fast 20 Jahren mit daran schuld, dass sich auch in Stuttgart so etwas wie eine Clubkultur entwickeln konnte. Coelho hat einst die legendäre Radio Bar im Radio-Barth-Gebäude betrieben, seit sechs Jahren ist er gemeinsam mit Jean Theodorou für den Keller Klub verantwortlich.

Dass das Rocker nun von einem Club gerettet werden muss, der überregional nicht ganz so viel Beachtung findet, ist überraschend. „Das ist ein bisschen, als würde Porsche VW im hiesigen Nachtleben schlucken“, sagt Coelho, und freut sich ausgiebig über seinen Kalauer. Sein künftiger Geschäftspartner Pejo Babic von der Rocker-Stammbesetzung verzieht bei diesem Scherz eher gequält das Gesicht.

Gründe für die finanzielle Schieflage

Babic hat keine leichten Monate hinter sich. Das Rocker lief schlecht. Beobachtern zufolge hatte der Club zu sehr auf Fremdveranstaltungen gesetzt. In der Szene ein gängiges Modell: Betreiber X stellt seinen Club-Veranstalter Y zur Verfügung, der seine Partyreihe dafür in einem eingeführten Haus veranstalten darf. Die Gastronomie-Einnahmen gehen an den Clubbetreiber, der Fremdveranstalter kassiert die Eintrittsgelder.

Kehrseite des Modells: Das eigene Profil kann – wie beim Rocker – verlustig gehen, weil sich die Stammkundschaft nicht mehr auf einen Rap-Freitag oder einen Techno-Samstag verlassen kann, sondern sich vorab informieren muss, welches Programm geboten ist. Ein Umstand, den man der Generation Facebook nicht zumuten kann.

Umzug hat den Club belastet

Finanziell schwerer wirkte sich aber der Umzug des Clubs von der ehemaligen Bahndirektion am Hauptbahnhof in das Ex-Amerikahaus in der Friedrichstraße aus. Das Gebäude schien eigentlich wie geschaffen für eine Zwischennutzung: Die ehemaligen Kino-Säle sollten in Dancefloors umgewidmet werden, darüber verfügt man im Erdgeschoss schon jetzt über einen Raum, der irgendwann die Lücke schließen könnte, die die Röhre im Bereich Live-Konzerte bis heute hinterlassen hat.

„Der Umbau der Location wurde aber viel teurer als gedacht“, so Babic. Dazu kamen handwerkliche Fehler der alten Clubbetreiber. Im Juni wurde einer der Kinosäle für den Besuch des in Berlin und Paris lebenden Produzenten Pantha du Prince geöffnet, obwohl die Räumlichkeiten von den Ämtern noch nicht freigegeben waren. Bei einer Kontrolle – die StZ berichtete – wurde dieser Umstand bemerkt und der obere Bereich des Clubs wieder geschlossen. Dazu Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart: „Die Baugenehmigung wurde vom Baurechtsamt jetzt abgesegnet. Nun soll die Besichtigung der Räume durch das Ordnungsamt erfolgen.“ Dann dürfte der Club eine vorläufige Konzession erhalten.

Die illegale Bespielung sei dem monetären Druck geschuldet gewesen, sagt Coelho über seine Vorgänger: „Da war man wohl ein wenig übereifrig.“ Jetzt sei man aber zum einen finanziell auf einem guten Weg. Zum anderen beschwört das neue Betreibertrio beinahe hymnisch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Letztere scheint dem Aushängeschild des hiesigen Nachtlebens tatsächlich wieder wohler gesonnen. Wirtschaftsförderungschefin Ines Aufrecht: „Problematisch war der Nachweis von zusätzlichen Stellplätzen, um eine Genehmigung für die oberen Räum zu bekommen. Da haben wir uns dann letztlich eingebracht, damit das jetzt doch klappt.“

Bestand bis März 2013 gesichert

Laut Vermieter hat das Rocker eine Laufzeit bis März 2013. Coelho und Co. hoffen auf eine Möglichkeit, die Räumlichkeiten länger bespielen zu dürfen. Schließlich soll die Clubfusion langfristig Früchte tragen. „Das Porsche-VW-Bild nehme ich lieber zurück“, sagt Coelho. So passend sei die Metapher angesichts der jüngeren Wirtschaftsgeschichte für die künftige Zusammenarbeit vielleicht doch nicht.