171 Wissenschaftler haben an die EU-Kommission geschrieben und moniert, dass die Berechnung des CO2, das beim Betrieb von E-Autos entsteht, nicht richtig ist. Jetzt reagiert die Politik.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Das Schreiben der 171 Wissenschaftler an die EU-Kommission, das einen Rechenfehler bei der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von E-Autos reklamiert und über das unsere Zeitung zuerst berichtet hat, hat in Brüssel und in Deutschland ein lebhaftes Echo ausgelöst. Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament, sagt: „Das Ergebnis der Wissenschaftler bestätigt die vielen Zweifel an der Argumentation der Europäischen Kommission.“

 

30 Tonnen CO2 statt 14 Tonnen?

Gieseke fordert: Die Kommission solle endlich die Einwände ernst nehmen. „Es ist der falsche Weg, nur auf eine Antriebsart zu setzen. Es gibt keine Null-Emissions-Fahrzeuge. Wir brauchen einen fairen Vergleich zwischen den Antriebsarten.“ Dazu bedürfe es der Transparenz und einer umfassenden Analyse des ganzen Lebenszyklus. Die Kommission sei eine solche Analyse trotz mehrfacher Aufforderung schuldig geblieben.

Der Initiator Thomas Koch vom Karlsruher KIT hat mit seinem Brief darauf hingewiesen, dass „die realen Emissionen im Bereich der Stromerzeugung im Jahr 2030 etwa doppelt so hoch sind“ wie von der EU-Kommission angenommen. Der Berechnungsansatz für die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von E-Autos sei falsch. Nach dem gängigen Ansatz verursache etwa ein E-Auto von VW, der ID3, binnen 16 Jahren und bei einer Laufleistung von 224 000 Kilometern 14 Tonnen CO2. Mit dem Berechnungsansatz von Thomas Koch komme man dagegen auf einen Wert von 30 Tonnen.

„Schlicht und einfach falsch“

Der Wirtschaftsexperte der Liberalen im Europaparlament, Andreas Glück, sagte: „Für echten Klimaschutz können wir keine Milchmädchenrechnungen der Kommission gebrauchen, die ihre Lieblingskinder wie die E-Mobilität pusht und politische Stiefkinder wie den Verbrennungsmotor und die Brennstoffzelle aus dem Rennen wirft.“

Wolfgang Braig, emeritierter Professor an der Universität Stuttgart und ehemaliger Leiter des Instituts für Luftfahrtantriebe, pflichtet Koch bei: „Die Berechnung der CO2-Belastung des Ladestroms mit dem Strom-Mix ist schlicht und einfach falsch.“ Er erläutert: Wenn für das Laden von E-Autos Strom aus dem Netz entnommen wird, müsse zusätzlich Strom eingespeist werden. Und: „Weil die regenerativen Erzeuger bisher – von wenigen kurzen Zeitspannen im Jahr abgesehen – auch ohne das Laden von E-Autos schon mit ihrer maximalen Leistung fahren, kommen für den zusätzlichen Strom nur herkömmliche Erzeuger infrage, nämlich die auf Kohle- oder Erdgasbasis.“

Braig, der vor seiner Berufung zum Professor Entwicklungschef einer Firma war, die Dampf- und Gasturbinen zur Stromerzeugung gebaut hat, ist kein Gegner der E-Mobilität. Langfristig könne das E-Auto „durchaus eine wichtige Rolle“ unter den Verkehrsmitteln spielen. „Ihm aber jetzt mit Holzhammermethoden den dominierenden Marktanteil zu erzwingen, ohne dass seine Eignung und noch weniger seine Überlegenheit nachgewiesen sind, und damit die Zukunft unserer Wirtschaft und die Zukunft der Menschen im Land aufs Spiel zu setzen, das ist unverantwortlich.“

Beim Zulieferer Eberspächer in Esslingen gibt es ebenfalls Zustimmung. Die Arbeit von Koch zeige, „dass Methoden und Modelle präzise und umfassend betrachtet werden müssen, damit politische Entscheidungen für den Klimaschutz auch die gewünschte Wirkung zeigen“, sagt Thomas Waldhier, Chef von Purem, der Abgassparte von Eberspächer. E-Mobility sei ein Weg von vielen für den Klimaschutz. Wasserstoff und klimaneutrale Kraftstoffe müssten zwingend dazukommen, um die Zielsetzungen bei der CO2-Reduzierung erreichen zu können.