Im Streit um die Kohlendioxid-Grenzwerte für Autos rückt eine Einigung näher. Deutsche Premiumhersteller würden dadurch weniger belastet als zunächst geplant.

Brüssel - In den Streit über neue Kohlendioxid-Grenzwerte für Autos kommt Bewegung: Bei informellen Gesprächen zwischen den EU-Staaten und dem Europaparlament am Dienstagabend legten die Abgeordneten ein Kompromissangebot auf den Tisch. „Wir zeigen damit, dass wir die Sorgen der Autobauer ernst nehmen“, sagte der SPD-Politiker Matthias Groote nach dem Treffen. Dem Vorsitzenden im Umweltausschuss zufolge könnte das Parlament nach 2020 vorübergehend geringere Strafzahlungen akzeptieren für Hersteller, deren Neuwagenflotte zu viel CO2 ausstößt. „Damit“, so Groote, „könnte ich leben.“

 

Auf Druck der deutschen Oberklassehersteller Daimler und BMW hatte die Bundesregierung vor den Sommerferien einen bereits zwischen den EU-Staaten und dem Europaparlament ausgehandelten Kompromiss nachträglich ausgebremst. Dieser sah vor, dass alle Neuwagen von 2020 an im Durchschnitt maximal 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. Das entspricht einem Verbrauch von vier Litern Benzin oder dreieinhalb Litern Diesel auf hundert Kilometer. Den Herstellern war allerdings zugestanden worden, dass „saubere“ Elektroautos oder Hybridfahrzeuge bei der Berechnung des Flottendurchschnitts in bestimmtem Umfang mehrfach angerechnet werden dürfen. Diese sogenannten „Supercredits“ gingen den Autobauern aus Stuttgart und München jedoch nicht weit genug. Mitte Oktober schließlich bekam Deutschland im Kreis der EU-Umweltminister eine Mehrheit dafür, den alten Deal mit dem Parlament nachzuverhandeln.

Litauen schlägt eine stufenweise Annäherung ans Ziel vor

Die litauische Ratspräsidentschaft, die für die EU-Staaten verhandelt, schlug den Parlamentariern am Dienstagabend vor, dass das 95-Gramm-Ziel stufenweise eingeführt werden und erst 2022 wirklich voll gelten soll. Diese Verzögerung jedoch lehnt das Parlament ab. „Wir werden das Paket nicht im Grundsatz aufschnüren“, sagte Groote. „Eine Mehrheit kann jedoch mit mehr Flexibilität bei den Supercredits leben“, berichtete der Sozialdemokrat in Bezug auf neue Überlegungen der Litauer zur Mehrfachanrechnung von Elektroautos.

Diese sollen das Flotten-Gesamtergebnis bis jetzt nicht um mehr als 2,5 Gramm pro Jahr verbessern dürfen – die Regelung sollte übergangsweise drei Jahre lang gelten. Der deutsche Gegenvorschlag, den das Parlament nun akzeptieren könnte, will diese jahresweisen Deckelungen bündeln. Im Ergebnis könnte also mit entsprechend vielen Elektroautos der Flottendurchschnitt in einem Jahr um 7,5 Gramm höher liegen als der Grenzwert. Voraussetzung ist Groote zufolge jedoch, dass die EU-Staaten sich auf den Vorschlag zur stufenweise Einführung der Strafzahlungen einlassen und den Starttermin 2020 unangetastet lassen. Bisher ist vorgesehen, dass von 2018 an für jedes zusätzliche Gramm CO2 95 Euro Strafe pro Auto fällig werden – und das vom vierten Gramm der Grenzwertüberschreitung an. Groote und seine Kollegen brachten nun Überlegungen ins Spiel, mit nur 25 Euro zu beginnen – sofern die Autobauer nachweisen, dass sie das Ziel aller Bemühungen zum Trotz nicht geschafft haben.

Die Litauer wollen an ihren Forderungen festhalten

Matthias Wissmann, Chef des deutschen Automobilherstellerverbands VDA hatte mehrfach von „natürlichen Grenzen“ bei der CO2-Reduzierung gesprochen. Auf der anderen Seite hatte Daimler bei der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt Mitte September eine S-Klasse mit Hybridantrieb vorgestellt, die nach EU-Norm lediglich 69 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstößt.

Der litauische Ratsvorsitz berichtete den Vertretern der anderen Mitgliedstaaten am Mittwoch von den Gesprächen mit dem Europarlament. Zwar berichtete ein EU-Diplomat anschließend, er habe hinsichtlich des Parlamentsvorschlags „keine Begeisterung wahrnehmen können“. Auch wollten die Litauer an ihren bisherigen Forderungen festhalten.

Gleichzeitig aber wurde ein weiteres Treffen für den kommenden Dienstag vereinbart, bei dem die Abgeordneten ihren Vorschlag konkretisieren sollen. SPD-Mann Groote gibt sich daher optimistisch, dass es mit dem neuen Vorschlag nun zu einer raschen Einigung kommen könnte: „Das kann eine goldene Brücke sein.“ Zudem gebe es über die Berliner Koalitionsverhandlungen „einen regen Austausch“ zu dem Thema.