Volksfeste und die kühle Witterung führen zu vielen Atemwegserkrankungen. Das hat auch mit der Luftqualität in den Zelten zu tun. Wir haben auf dem Wasen nachgemessen: Nicht überall ist das Infektionsrisiko gleich hoch.

Die Krüge hoch! Mit dem Appell steigt neben der Stimmung auch die CO2-Konzentration im Festzelt – und damit das Risiko, Corona oder eine andere Infektion einzufangen. Im Großraum München stellen sich neben der typischen „Wies’n-Grippe“deutlich steigende Corona-Fallzahlen ein. Ist in Stuttgart Ähnliches zu erwarten?

 

„Fürs Leben gern ein Stuttgarter, ole-ole-ole“, singt das Zelt unisono, 3G wird als „Getanzt, Geknutscht und Gesungen“ interpretiert. Unsichtbar bleiben Aerosole und damit das Infektionsrisiko. Viele blenden es aus nach der coronabedingten Feierpause – wir messen es an zwei Wasen-Abenden mit einem kleinen Sensor, wie er auch in CO2-Ampeln verbaut ist. Der Holzgerlinger IT-Experte Guido Burger, der auch einen beliebten Bausatz für CO2-Ampeln entwickelt hat, stellt ihn uns zur Verfügung.

Feiern wie Lisa Federle

Das Prinzip ist dasselbe wie im Klassenzimmer: Je mehr Kohlendioxid in der Luft ist, desto höher das Infektionsrisiko – jedenfalls wenn eine aktuell ansteckende Person mitfeiert, was angesichts steil ansteigender Infektionskurven (nicht nur bei Corona) jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist.

Für die erste Messung gehen wir in eine der Logen, wo Firmen oder auch der Oberbürgermeister Frank Nopper feiern – zum Beispiel mit Lisa Federle. Die Tübinger Corona-Ärztin hatte erklärt, dass sie einen Wasen-Besuch für verantwortbar hält. Tatsächlich ergibt die Messung eine akzeptable Luftqualität von im Mittel 1100 Teilchen CO2 je Million Partikel (ppm) – die CO2-Ampel würde da gerade Gelb zeigen. Für die exemplarisch besuchte Loge, wo man zu Käsespätzle und Schweinshaxe in den Abend hineinschunkelt, stimmt Lisa Federles Einschätzung – vor allem da, wo ein leichter Luftzug für Frischluft sorgt.

Dicke Luft im Festzelt

Die zweite Messung führen wir bei einer gut besuchten Party mitten im Festzelt durch. Schon als wir das gut gefüllte Zelt betreten, misst der Sensor mehr als 2000 ppm Kohlendioxid. Das Umweltbundesamt, das schon vor Jahren entsprechende Richtwerte veröffentlicht hat, bezeichnet Werte oberhalb von 2000 ppm als „inakzeptabel“. Jedenfalls droht bei so dicker Luft neben einem dicken Kopf auch eine Infektion – immer gesetzt den Fall, dass eine ansteckende Person in der Nähe sitzt.

Woher die hohe CO2-Konzentration kommt, wird sofort sichtbar: Festzeltbesucher tanzen dicht an dicht auf Bierbänken, stoßen an, knutschen und singen lautstark mit. Unser Tisch steht direkt neben der Bühne. Als die Band zu spielen beginnt, stimmt das Festvolk mit ein. Wegen der Musik wird laut geredet, nicht selten gebrüllt. Auch das steigert den CO2 Gehalt der Luft, wie eine Studie der University of California bereits 2019 ergab. In unserem Fall steigt der CO2 Gehalt auf mehr als 3000 ppm – das ist deutlich mehr, als wir im Frühjahr etwa in überfüllten S-Bahnen oder einer Kneipe bei geschlossenem Fenster gemessen haben.

Draußen ist die Luft besser. Als wir für Pommes und Karussell das Zelt verlassen, misst der Sensor nur noch um die 500 ppm – im Außenbereich ist das Infektionsrisiko sehr gering. Als wir wieder zurück im Zelt sind, suchen wir einen Platz mit besserem Blick auf die Bühne. Dort weht ein leichter Wind, trotzdem schlagen die CO2-Werte stellenweise aus – etwa als die Gäste textsicher zu Evergreens wie „Cordula Grün“ und „Major Tom” feiern.

Wirte plagen viele Sorgen

An diesem Abend ist Corona vergessen – jedenfalls unter den Gästen, die gekommen sind. Wie viele sind zu Hause geblieben? Die Zelte sind jedenfalls nicht so voll wie vor der Pandemie, was neben der Inflation auch an der Angst vor der Ansteckung liegen könnte. Haben die Festwirte das nicht bedacht? Werner Klauss, der Sprecher der Wasenwirte, will sich eigentlich nicht zu den Messungen äußern, weil sie den Leuten doch nur das Volksfest vermiesen würden. Dann sagt er doch noch etwas. Infektionen seien ja nicht das einzige Thema. „Wir wollen auch Energie sparen und trotzdem soll es im Zelt gemütlich sein. Alles zusammen geht nicht.“ Viele kämpften ohnehin schon um ihre Existenz.

Jörg Klopfer von der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart betont, dass „jeder für sich selbst entscheidet“, ob ein Zeltbesuch verantwortbar ist oder nicht. Einheitliche Vorgaben für die Durchlüftung gebe es keine. Man suche aber „auch in Zukunft den Austausch mit dem Gesundheitsamt und der Stadtverwaltung“.