Das Innovationsevent Code_n New.New Festival in Karlsruhe sieht sich auch als Lockerungsübung, um etablierten Firmen die Offenheit und Flexibilität näherzubringen, die in der digitalen Welt und bei Start-ups selbstverständlich ist.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Karlsruhe - Offene, lichtdurchflutete Räume, ein kompaktes Gebäude, keine Messestände, sondern Start-ups, die sich im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) locker über vier große, eigens errichtete Treppenflächen verteilen – beim Code_n New.New Festival geht es überall darum, die Besucher zusammenzuführen. Ein wenig Berührungsangst gibt es nämlich immer noch zwischen jungen Gründern und soliden Unternehmen mit langer Erfolgsgeschichte wie sie gerade für Baden-Württemberg typisch sind. Die Kooperation mit Start-ups ist in Deutschland gerade ein Modethema, das zumindest ganz oben in den Chefetagen angekommen ist, ob nun beim Daimler-Chef Dieter Zetsche oder Bahn-Vorstand Rüdiger Grube, die sich in ihren jeweiligen Firmen auf unterschiedliche Weise für Kooperationen mit Start-ups geöffnet haben.

 

Keine Berührungsangst zu haben, das beginnt schon damit, sich für eine offene, nicht an Geschäftsabschlüssen zu messende Veranstaltung, erst einmal Zeit zu nehmen. „Mich treibt die Neugier hierher“, sagt Hans-Peter Knaebel, Chef der Tuttlinger Medizintechnikfirma B.Braun/Aesculap. „Ich will einfach herausfinden, welche Kontakte man hier knüpfen kann und wie wir für unsere Technologien eventuell interessante Ergänzungen finden können.“

Innovationen entstehen immer weniger von innen

Knaebel glaubt, dass Innovationen heute nicht mehr nur innen entstehen, sondern dass sie viel mehr als früher auch von außen kommen müssen. Vor zwei Jahren hat die Firma begonnen, verstärkt mit Start-ups zu kooperieren. Noch wird 95 Prozent des Wertes der Produkte aus eigener Kraft geschaffen: „Aber die Zukunft ist ganz klar eine Synthese zwischen interner und externer Innovation.“ Es sei das Paradox, dass in der digitalen Welt das persönliche Gespräch weniger denn je zu ersetzen sei: „Natürlich können sie eine Technologie recherchieren. Aber die richtige Einordnung erfahren sie erst im persönlichen Gespräch.“ Und dabei müsse man auch für Überraschungen offen sein: „Die Medizintechnologie hat oft Entwicklungen aus ganz anderen Branchen genutzt.“

Zu dieser Lockerungsübung wolle man mit dem Festival ganz bewusst beitragen, sagt Ulrich Dietz, der Chef des Stuttgarter IT-Dienstleisters GFT-Technologies und Initiator des Karlsruher Events: „Ein Firmenchef traut sich oft nicht, ganz einfach zu fragen wie etwas geht. Hier kann er mit seinen Mitarbeitern herumgehen, sich die Dinge ansehen – und auch einmal ohne Umweg seine Leute fragen, wie sie das eine oder andere sehen.“

In der Praxis ist diese Öffnung für eine neue Innovationskultur für deutsche Firmen aber oft nicht einfach, wie eine Diskussionsrunde zum Thema Kooperation zwischen Start-ups und etablierten Firmen zeigte. Bruno Ginnuth, Gründer des an das Konzept von Uber angelehnten deutschen Taxi-Start-ups Clever Shuttle, das per App zusammengestellte Fahrgemeinschaften mit Elektrofahrzeugen befördert, erzählte von seinen Erfahrungen mit der Deutschen Bahn. Seit einigen Monaten ist der Konzern sein Investor und Geschäftspartner: „Insbesondere die Zusammenarbeit mit der mittleren Managementebene ist nicht einfach. Das sind Leute, die sich unwohl fühlen, wenn sie etwas außerhalb gewohnter Prozesse tun müssen.“ Entscheidungen könnten lange dauern und es brauche immer wieder den Start-up-Beauftragten der Bahn, um die Dinge voranzubringen oder die richtigen Ansprechpartner zu finden.

Der Chef will es – das mittlere Management ist skeptisch

„Die sind einfach nicht auf euch vorbereitet“, sagte Frank Riemensperger, Deutschlandchef der Beratungsfirma Accenture: „Der oberste Chef will es – und auf einmal sind die im mittleren Management zuständig.“ Uli Huener, der Innovationsbeauftragte der EnBW, riet zu eifersüchtig gehüteter Autonomie: „Ich würde als Start-up nicht zu einer etablierten Firma gehen, die einen als allererstes integrieren will.“ Unternehmen müssten dazu bereit sein, auch einmal loszulassen, sagte Martina Merz, unter anderem Aufsichtsrätin bei Lufthansa und Volvo: „Es geht darum, die Entscheidungen zu dezentralisieren.“

Ein paar Jahre lang habe man in Deutschland versucht, Innovationen von innen zu beschleunigen, sagt Frank Riemensperger: „Das hat nicht funktioniert. Das hat man schnell begriffen.“ Der Trend gehe nun zu unabhängigen, neuen Einheiten: „Schauen sie Daimler an, wo Unternehmenschef Zetsche ein Fünftel der Mitarbeiter aus bisherigen Geschäftsfeldern lösen und in neue Strukturen bringen will.“