Der taube Comedian Okan Seese nimmt im Waiblinger Kulturhaus Schwanen Vorurteile über gehörlose Menschen auf die Schippe. Wie Comedy in Gebärdensprache funktioniert – und wie die Namen Merkel, Trump und Co. in Gesten dargestellt werden.

Der Applaus, den der Comedian Okan Seese in Waiblingen bekommt, ist ungewöhnlich still. Seese kommt mit Stöckelschuhen und einem pinkfarbenen Shirt auf die Bühne des Schwanen und begrüßt seine Zuschauer mithilfe von Plakaten, die auf einem Notenständer stehen. „Schön, dass ihr da seid!“ Wieder Applaus, immer noch ist es recht ruhig im Saal. Die Hälfte der Zuschauer klatscht nicht in die Hände – sondern streckt sie hoch, um die sie hin- und herzudrehen: Beifall in Gebärdensprache.

 

Okan Seese ist der einzige taube Kabarettist, der auch für Hörende spielt. Er ist mit seinem Programm „Lieber taub als gar kein Vogel“ im Kulturhaus Schwanen zu Gast. Rund zwei Stunden lang räumt der Comedian mit Vorurteilen über taube Menschen auf. Er verbindet Anekdoten über seltsame Erlebnisse mit Witzen, mit Informationen über die Gebärdensprache und über die taube Kultur, die er selbst die als „Community“ bezeichnet.

„Manche Leute glauben ja, dass ich Gedanken lesen kann“

Für die Hörenden übersetzt die Kommunikationsassistentin Gisa Schraml, die die Gebärden mitverfolgt und in gesprochenem Wort wiedergibt. „Voicen“, also soviel wie „eine Sprache verleihen“, wird dieses Übersetzen genannt. „Das ist ein bisschen, wie ’nen guten Film zu gucken, nur mit schlechtem WLAN“, witzelt Seese. Und tatsächlich scheinen diejenigen im Publikum, die die Gebärden verstehen, einen klitzekleinen Moment früher zu lachen und zu applaudieren als alle anderen.

„Ich bezahle Gisa in Lachern – aber nur die, die ich auch hören kann“, stichelt Seese. Tatsächlich ist die Dynamik zwischen dem Kabarettisten und der Übersetzerin eine sehr besondere – und ein Teil des Reizes, der den Abend ausmacht. „Manche Leute glauben ja, dass ich Gedanken lesen kann“, fährt er in Gebärdensprache fort. Dann tut er so, als würde er anhand von Telepathie kommunizieren. Seine Dolmetscherin übersetzt fröhlich weiter.

Aber das mit dem Gedankenlesen ist nicht das einzige Vorurteil, von dem Seese erzählt. Was er besonders oft zu hören bekomme: „Sag mal, du bist doch taub, kannst du eigentlich schwimmen?“ Dicht gefolgt von: „Kannst du Lippen lesen?“ und „Lästert ihr in der Öffentlichkeit über andere?“ „Die Antwort ist: ja“, sagt Seese augenzwinkernd.

Typische Verhaltensweisen werden in Gebärden übersetzt

Später bringt er seinen Zuschauern noch einige Gebärden bei. Angela Merkel wird – nicht überraschend – als Raute dargestellt, Donald Trump durch seine Frisur und Gerhard Schröder als Fähnchen im Wind.

Dinge, die für Personen typisch seien, würden in der Tauben-Community meist in die Gebärdensprache übersetzt – ebenso wie die Namen jedes Mitglieds. Der Name Okan Seese etwa werde durch das zeigen eines Orkans in die Gebärdensprache dargestellt. „Den Namen habe ich mir nicht selbst ausgesucht, die Community hat ihn mir gegeben, weil ich immer ein bisschen wild war.“

Auch sein Humor und seine Witze seien zum Teil von der Gemeinschaft Tauber inspiriert. Seine Motivation: „Ich will die Community mit dem Rest der Welt zusammenführen“, so der Comedian. Und es scheint zu funktionieren: „Es war sehr informativ“, sagt etwa Karin Uetz aus Winterbach. „Man verliert die Berührungsängste.“

Und auch für die hörgeschädigte Weinstädterin Beatrix Klafs war der Abend besonders: „In einer anderen Veranstaltung wäre ich nicht schnell genug mitgekommen, aber hier habe ich wenigstens einen Teil verstanden“, sagt sie. „Das war schön.“