Die amerikanische Sitcom hat es schwer in Deutschland. Nach Ansicht von Experten fehlt dem Genre hierzulande die Tradition. Doch nach Jahren der Dürre glauben viele in der TV-Branche an ein Comeback der Comedy-Serien.

Stuttgart - Plötzlich ist der Faden gerissen, ohne Vorwarnung. Von Mitte der Neunziger an hat RTL das Sitcom-Genre zehn Jahre lang dominiert wie kein anderer Sender. Serien wie „Das Amt“, „Alles Atze“, „Die Camper“, „Nikola“ oder „Ritas Welt“ heimsten einen Preis nach dem anderen ein. „Der Lehrer“ war jedoch der vorerst letzte Beitrag der Erfolgsproduzentin Christiane Ruff zu diesem Genre. Die Serie bekam zwar 2009 den Deutschen Fernsehpreis, war aber ein Nachzügler, für den RTL schon keinen rechten Platz mehr im Programm fand.

 

Natürlich hat es mit „Doctor’s Diary“ (RTL) oder „Stromberg“ (Pro Sieben) auch weiterhin komische Serien gegeben, aber zuletzt doch meist in „Hybridform“, wie etwa die Sat-1-Erfolge „Der letzte Bulle“ (Krimi plus Comedy) oder „Danni Lowinski“ (Sozialdrama plus Comedy). Auch die eher mittelprächtig erfolgreiche ARD-Hausmarke „Heiter bis tödlich“ ist das Ergebnis einer Mischkalkulation.

Genau genommen sind Sitcoms im klassischen amerikanischen Stil hierzulande ohnehin nur in Ansätzen produziert worden. RTL hat den Begriff daher stets vermieden. Aber nun ist die Zeit offenbar wieder reif für Comedy-Serien, schließlich ist das Fernsehen ein zyklisches Medium. Michael Lehmann, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Studio Hamburg, wagt dennoch keine Prognose. Er weiß zwar von diversen Entwicklungsaufträgen, „aber ob daraus auch Produktionen werden, ist eine ganz andere Frage“. Trotzdem hofft er „auf eine Renaissance der Sitcom, woran wir mit unserem ‚,Tatortreiniger‘’ sicher einen gewissen Anteil haben“. Die mit einem Grimmepreis ausgezeichnete NDR-Serie mit Bjarne Mädel, für die in Hamburg und Umgebung gerade neue Folgen gedreht werden, sei zudem „ein Beleg, wie breit das Spektrum unterschiedlicher Erzählfarben in diesem Genre ist“.

Eine deutsche Tradition gibt es nicht

Verschiedene Unternehmen arbeiten ganz konkret an Sitcoms, darunter auch die Produktionsfirma Buffo, die gemeinsam mit der ZDF-Tochter Network Movie neue Comedy-Formate entwickeln soll. Dass es in diesem Genre keine deutsche Tradition gibt, betrachtet der Buffo-Chef Gunther Burghagen nicht als Hindernis: „Sitcom soll vor allem lustig sein, aus einem Akt bestehen und dreißig Minuten dauern. Wenn die Zuschauer eine halbe Stunde lang lachen können, ist alles andere egal.“ Burghagen war zehn Jahre als RTL-Redakteur für die großem Sitcom-Erfolge zuständig. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er sagt: „Die Delle ist entstanden, weil die verschiedenen Serienversuche nicht mehr ausreichend komisch waren.“

In Produzentenkreisen ist man überzeugt, dass nicht zuletzt ökonomische Gründe für eine Wiederkehr der familienfreundlichen und bei der Werbeindustrie beliebten Sitcom sprechen. Die Produzentin des „Tatortreinigers“, Kerstin Ramcke, gibt allerdings zu bedenken, dass solche Produktionen exzellente Bücher benötigten: „Eine sorgfältige Buchentwicklung ist die Basis des Erfolgs. Das kostet zwar Zeit und Geld, aber das müssen die Serien den Sendern wert sein, sonst werden sie nicht funktionieren. Schon aus diesem Grund sind Sitcoms längst nicht so preiswert, wie man angesichts der wenigen Schauplätze vermuten könnte.“

„Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für den Humor“

Der Geschäftsführer von Network Movie, Wolfgang Cimera, ist dennoch zuversichtlich: „Gerade in konservativen Zeiten, die ja oft auch schlechte Zeiten sind, wird gern mehr gelacht. Mit Humor kann man die bestehende Ordnung unterlaufen, man kann mit Vorurteilen spielen und gegen die Political Correctness verstoßen. Derzeit ist das Klima für Humor ausgezeichnet.“ Aus ähnlichen Gründen glaubt auch Eva Tonkel an ein Sitcom-Comeback. Die frühere „Quatsch Comedy Club“-Produzentin leitet seit einigen Monaten bei Odeonfilm den Bereich Comedy: „Die Deutschen haben ein großes Bedürfnis nach lustiger Unterhaltung, und das nicht nur, weil es im wahren Leben wegen der täglich neuen Horrorgeschichten nicht viel zu lachen gibt. Wer um seinen Arbeitsplatz fürchtet, sehnt sich nach amüsanter Abwechslung. Es gibt doch nichts Befreienderes, als den täglichen Wahnsinn humorvoll aufzuarbeiten.“

Gute Komödien müssen laut Cimera drei Bedingungen erfüllen: „Sie erzählen in Wirklichkeit ein Drama, sind also kaschierte Tragödien; sie haben glaubhafte Charaktere; sie verzichten auf den moralischen Zeigefinger.“ Dafür braucht man entsprechend gute Autoren. Die gebe es zur Genüge, sagt Christian Munder von Sony Pictures, der früheren Erfolgsschmiede für RTL. Der erfolgreiche Drehbuchautor Ralf Husmann hält es jedoch für verfrüht, von der Wiederkehr der deutschen Sitcom zu sprechen. Er entwickelt derzeit zwei Serien. Ob sie je produziert würden, sei völlig offen: „Ich kann bei den Sendern keine Bereitschaft erkennen, sich mit aller Macht auf Serien zu stürzen.“ Der aktuelle Sparzwang fördere die Risikobereitschaft nicht. Aber Husmann weiß natürlich auch, dass ein neuer Erfolg eine Welle auslösen wird.