Gudrun Penndorf hat die Abenteuer des kleinen Galliers in Deutschland populär gemacht. Im Stuttgarter Literaturhaus hat sie mit Jean-Pierre Mercier über Übersetzungsprobleme diskutiert.

Stuttgart - „Passeurs d’histoires“ (was man in etwa mit „Fährleute für Geschichten“ übersetzen könnte) lautet der Titel des deutsch-französischen Workshops im Institut Français Stuttgart. Das Besondere an dieser Veranstaltung, die von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird, ist das Genre, dem sich diese Sprachvermittler widmen: Sie haben sich auf die Übersetzung von Comics und Graphic Novels spezialisiert. Diese Bildergeschichten, die lange von Vertretern der Hochkultur mit Geringschätzung gestraft wurden, sind inzwischen offenbar in genau dieser Hochkultur angekommen und sogar zu akademischen Ehren gelangt. In Frankreich ist das schon länger so, im westfranzösischen Angoulême gibt es ein Forschungsinstitut mit dem schönen Namen „Cité internationale de la bande dessinée et de l’image“ und seit 1974 ein jährlich stattfindendes Festival zum Thema.

 

Das Stuttgarter Literaturhaus, das nicht zum ersten Mal seine Aufgeschlossenheit für dieses in Frankreich als „neunte Kunst“ bezeichnete Genre unter Beweis stellte (man denke nur an die Ausstellungen zu den Bildergeschichten „Persepolis“ von Marjane Satrapi oder „Alois Nebel“ von Jaroslav Rudiš), flankierte die Übersetzerwerkstatt jetzt in den eigenen Räumen mit einem Abend, an dem Fachleute und Liebhaber dieser Kunstform zu Wort kamen. Unter dem zweisprachigen Titel „Die spinnen, die Römer! – Ils sont fous, ces Romains!“ ging es um den Comic-Klassiker „Asterix“, der 1959 von dem Zeichner Albert Uderzo und dem Texter René Goscinny kreiert wurde und es inzwischen auf 36 Bände gebracht hat. Moderiert vom Literaturkritiker und Übersetzer Joachim Kalka unterhielten sich Jean-Pierre Mercier vom Comic-Forschungszentrum in Angoulême und Gudrun Penndorf, die von 1968 bis 1991 den Galliern wie den Römern in 29 „Asterix“-Bänden eine deutsche Stimme gegeben hat, über die Schwierigkeiten des Transfers von der einen in die andere Sprache.

Obelix mundet das „braune Süppchen“ nicht

Das scheinbar Leichte ist das Allerschwerste – dieser Satz gilt auch und gerade für das Übersetzen von komischer Literatur, wo jede Pointe entweder ins Schwarze trifft oder folgenlos verpufft. Die deutsche Karriere von „Asterix“ stand anfangs, so erzählte Penndorf, unter keinem guten Stern, waren das gallische Dorf und seine Bewohner doch zunächst in die Hände des völkisch-reaktionären Verlegers und Übersetzers Rolf Kauka geraten, der mit seinen Fassungen ein „braunes Süppchen“ kochte, bis der französische Verlag einschritt und ihm die Lizenz entzog.

Der „Asterix“-Texter René Goscinny, selbst polnisch-jüdischer Herkunft und in Argentinien aufgewachsen, von wo er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa zurückkehrte, war fortan so misstrauisch, dass er die von der neuen Übersetzerin Penndorf angefertigte Fassung ins Französische zurückübersetzen ließ, ehe er sein Plazet gab. Penndorf hat ihre Sache offenbar zu seiner Zufriedenheit erledigt und den „Asterix“-Figuren zu einer Sprache verholfen, die inzwischen sprichwörtlich geworden ist. Lautete beispielsweise die stehende Formel „Ils sont fous, ces Romains!“ in der alten Übersetzung „Die Römer sind doof!“, so hat erst Penndorf das epigrammatisch zugespitzte „Die spinnen, die Römer!“ erfunden, das sich die „Asterix“-Fans künftig als Erkennungszeichen zurufen konnten.

Die versteckte Hochkultur

Der Abend im Literaturhaus wurde so zu einer Lehrstunde in der Kunst des Übersetzens und machte zugleich deutlich, wie viel versteckte Hochkultur es in den Anspielungen des Originals zu entdecken galt. „Großartig, dass man heute googeln kann“, gestand Penndorf, sie habe früher in der Bayrischen Staatsbibliothek in den einschlägigen Lexika nachschauen müssen, etwa wenn es um gallische Götternamen ging. Französische Freunde mussten helfen, wenn sie Wortspiele nicht erkannt habe. Das französische Wörterbuch „Petit Larousse“ mit den lateinischen Sprichwörtern sei bei „Asterix“ ihr ständiger Begleiter gewesen. Als besondere Schwierigkeit für einen Comic-Übersetzer komme noch hinzu, dass die Sätze genau in die Sprechblasen passen müssen, also nicht zu lang sein dürfen.

Ob gelehrte Anspielungen in den „Asterix“-Büchern nicht heute ein Problem seien, wo in der Schule nur noch selten Latein gelernt werde und etwa die Bezüge auf Caesars „De bello Gallico“ („Über den gallischen Krieg“) von vielen Lesern gar nicht mehr erkannt würden, wollte Kalka von Jean-Pierre Mercier wissen. Doch der konnte ihn beruhigen: An die Stelle der bildungsbürgerlichen Referenzen sei der selbstreferenzielle Bezug auf die bisher erschienenen „Asterix“-Bände getreten, es habe sich so etwas wie eine „Asterix-Folklore“ herausgebildet. Die Comics seien in Frankreich immer noch sehr erfolgreich, ihre Popularität in Deutschland aber, so sein Kompliment, sei eindeutig das Verdienst von Gudrun Penndorf.