In den fünfziger und frühen sechziger Jahren war das in Amerikas bürgerlichen Vorstädten noch gar nicht gern gesehen: dass eine Frau einen Job hatte. Viele Doris-Day-Komödien erzählen von diesem Konflikt. Joelle Jones aber gibt ihrer Comic-Heldin Josie zu Haushalt, Mann und Kindern auch einen Job: Auftragsmörderin.

Stuttgart - Alles klar hier, alles sauber, alles glücklich, alles im Lot: so lautete die Botschaft der elegant gezeichneten amerikanischen Werbebilder der fünfziger und sechziger Jahre. Hollywood orientierte sich damals an dem, was die Mad Men der New Yorker Werbeagenturen zum idealen Leben erklärten. Und die Werbemacher orientierten sich an dem, was Hollywood an Bildern des Familienglücks auf die Leinwand warf – ein geschlossenes System, das der Wirklichkeit ständig signalisierte, sie sei ein wenig peinlich und solle sich gefälligst beeilen, zum Konsumparadiesentwurf aufzuschließen.

 

Joelle Jones‘ Comic „Lady Killer“ zeigt eine faszinierende Mischwelt aus Realität und Werbeglanz. Die wäre an sich schon sehr lustig, weil hier Adrettheit und Schluffigkeit, Dauerlächeln und Dauerkrise auch während der archetypischen Cocktail-Partys unter Nachbarn Ringelreihen tanzen. Aber es gibt hier obendrein ein kleines Geheimnis: Josie Schuller, die perfekte Hausfrau und Mutter, ist auch eine höchst kompetente Auftragskillerin, die ganz undamenhaft im Nahkampf metzeln und schlitzen kann.

Unterm Glanzlack

Wer die alten Werbegrafiken schaut, muss sich tatsächlich immer wieder zwicken. Dieses wunderbare Amerika der schicken, wohlhabenden Familien und der Heckflossenautos war in Wirklichkeit ja jenes der knallharten Rassentrennung, der Hochrüstung und Atomkriegsangst, der Kommunistenjagd und des reflexhaften Wegschauens der Nachbarn und der Justiz, wenn Männer ihre Frauen misshandelten. Josies Serienkillerjob gibt ein extrem comictaugliches Symbol für all die Finsternis unter dem hellen Glanzlack ab.

Der besondere Kniff: Josie nutzt ihr schniekes bürgerliches Leben nicht als bloße Tarnung einer als eigentliches Leben empfundenen Killerexistenz. Sie versucht, beides mit Überzeugung zu leben, Muttchenglück und Killerjob. Sie will so verbissen wie nur je eine der werbegegängelten Vorstadtbewohnerinnen Mustermutter, Edelgattin und Vorzeigehausfrau sein. Sie wird sehr wütend, wenn beim Killerjob Blut auf ihr Kleid spritzt.

Die Pflichten der Hausfrau

Dass ein hocheffizienter Killer von den eigenen Dauerauftraggebern hintergangen und zur nächsten Zielperson erklärt wird, ist ein Klischee vieler Filme und Romane um Auftragsmörder. Auch Joelle Jones und ihr Koautor Jamie S. Rich nutzen diesen Plot, lassen ihn aber organisch aus der Besonderheit ihrer Figur hervorgehen. Josie fängt sich das Misstrauen der Bosse ein, weil sie nicht völlig flexibel ist, weil sie ihre Hausfrauenpflichten gleichrangig mit ihren Mordaufträgen behandelt.

Solche Schlüssigkeit verhindert wirkungsvoll, dass sich „Lady Killer“ wie so viele moderne Killerfilme in der bloßen Pose moralischer Indifferenz und in Brutalitätsschocks erschöpft. Was nicht heißen soll, dass sich Joelle Jones von den Mordfantasien distanziert. Die pure Dynamik der Bilder, die sinnlichen, wirkungsvollen Perspektiven, die begeisterte Nachstellung der Werbewelt von einst sprechen eine deutliche Sprache. Hier wird freudig die Hoffnung gefeiert, dass in der domestizierten Frau noch etwas ganz anderes lauern könnte.

Joelle Jones, Jamie S. Rich: „Lady Killer“. Comic. Panini Verlag, Stuttgart 2016. 140 Seiten, 16,99 Euro. Auch als E-Book, 10,99 Euro.