Ein Berufsverbrecher landet in einem texanischen Kaff, das von schlimmeren Typen als ihm regiert wird. „Der französische Comic „Tyler Cross“ bietet Noir ohne Samthandschuhe.

Stuttgart - Lang und leicht geschwungen läuft das Gesicht des Kerls zum scharfen Kinn hinab, die Augen sind nur selten zu sehen unterm Hutrand. So starrt einen da eine glatte Fläche an, die den Einblick verweigern – falls jemand überhaupt noch glauben sollte, die Augen seien Fenster zum Ich, Spiegel der Seele. Tyler Cross hat ein Gesicht wie ein Spaten, und man tut gut daran, das als Warnung zu nehmen. Es könnte der Spaten sein, der einem das Grab schaufelt.

 

So stilisiert sahen Gangster nicht einmal im alten Hollywoodfilm aus, nicht einmal der auch mit einem Spatengesicht gesegnete Jack Palance hätte das so hinbekommen. Das geht nur im Comic, und „Tyler Cross“ ist ein ganz vorzüglicher. Jedenfalls für Leute, die Noir ohne Samthandschuhe mögen.

Ein Kaff unter der Fuchtel

Cross ist im Auftaktabenteuer „Back Rock“ Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts in eine kleine Mafia-Intrige verwickelt, die schief geht. Bald wankt er alleine durch die Wüste, ohne Wasser, ohne Auto, aber mit ein paar Kilo Heroin im Matrosensack. Er stößt auf ein kleines Kaff namens Black Rock, das seit seiner Gründung zu Planwagenzeiten unter der Fuchtel der Sippe Pragg steht. Die Praggs stellen den Bankdirektor, den Bürgermeister, den Sheriff. Tyler merkt, dass er in der Falle sitzt. Die Praggs merken nicht, dass auch sie mit einem wie Tyler im Städtchen neu kalkulieren müssten.

Die strenge, elegante, im richtigen Moment auch verspielte Reduziertheit der Zeichnungen des Franzosen Brüno (die Laurence Croix mit Monochrom-Effekten clever koloriert hat) schlägt einen sofort in Bann. Der Autor Fabien Nury will Noir nicht neu erfinden, er weiß, dass wir solche Geschichten kennen.

Aus Schlangensicht

„Rote Ernte“ von Dashiell Hammett, die Hinterwäldlerromane von Jim Thompson, Richard Starks Serie um den Profikriminellen Parker, sie alle mögen Einfluss genommen haben. Nury will aber nicht durch unerwartete Schlenker des Plots glänzen, sondern durch den sarkastischen Ton und kleine Perspektivverlagerungen. Ein kleines, wichtiges Stück Handlung kommentiert eine Giftschlange. Und der Claim, wie das einstimmende Motto im Werberdeutsch heißen würde, ist großartig: „Eines Tages wird Tyler Cross für seine Verbrechen büßen ... bis dahin wird er weitere begehen.“

Nury und Brüno: „Tyler Cross: Black Rock“. Carlsen Verlag, Hamburg. Comic. Aus dem Französischen von Uli Pröfrock. 96 Seiten. 14,99 Euro.