Vor 30 Jahren setzte der Programmierer David Braben mit dem Weltraumabenteuer „Elite“ Maßstäbe, die bis heute gelten. Nun bringt er mit „Elite: Dangerous“ eine neue Version heraus: Eine Galaxie wartet darauf, das man sie erkundet.

Stuttgart - Der Asteroid fliegt so nahe vorbei, dass man nach ihm greifen möchte. Nur das dünne Glas der Cockpitscheibe trennt den Raumfahrer von der Unendlichkeit des Alls. Ein Tastendruck genügt – schon beschleunigt das Raumschiff wieder auf Höchstgeschwindigkeit, um die Verfolgung des feindlichen Weltraumgleiters in dem Asteroidenfeld erneut aufzunehmen. Die beiden Raumschiffe jagen zwischen den Gesteinsbrocken umher. Der Raumfahrer versucht, sich in eine bessere Schussposition zu bringen, dann zerfetzt er seinen Kontrahenten mit einem ohrenbetäubenden Knall.

 

Die seit Kurzem erhältliche Testversion von „Elite: Dangerous“ gibt einen Vorgeschmack auf ein Weltraumspiel für den Computer, das an technische Grenzen gehen soll: Der Spieler sitzt in einem ausgefeilten Weltraumcockpit, hinter dessen Scheibe unzählige Sterne glitzern – und neue Abenteuer versprechen. Nicht weniger als 100 Milliarden Sternensysteme sollen in dem Spiel anzufliegen sein – die gesamte Milchstraße, gepackt auf die Festplatte eines Computers.

Das klingt fast größenwahnsinnig, doch hinter dem Spiel steht niemand Geringerer als David Braben, ein legendärer englischer Spielentwickler und ein Urgestein der Computerspielbranche. Vor genau 30 Jahren hatte der Brite mit „Elite“ schon einmal ein ähnliches Wunder vollbracht: Bei der ersten Version presste er immerhin 2000 Sternensysteme in gerade einmal acht Kilobyte Arbeitsspeicher des BBC-Micro-Computers der Firma Acorn– inklusive voll funktionsfähigen Wirtschaftshandelssystems. Zum Vergleich: ein heutiger Computer mit vier Gigabyte RAM verfügt über das 537-Millionenfache an Speicherkapazität.

To boldly go wherever you want to go

Mit seinem Mitprogrammierer Ian Bell, wie er ein Student an der Universität Cambridge, schuf Braben etwas, das die Computerspielindustrie nachhaltig prägen sollte. Computerspiele waren bis dahin erst wenige Jahre alt und waren kurzweilige Arcade-Spielchen mit wenig Grafik. „Elite“ hingegen war komplett neu und anders – und wurde schnell für alle Heimcomputersysteme adaptiert. Zum ersten Mal gab es eine Spielwelt, auf die der Spieler Einfluss nehmen konnte und die kein vordefiniertes Ziel hatte.

Ohne es zu ahnen, setzten Braben und Bell mit „Elite“ einen Standard für sogenannte Open-World-Spiele, der bis heute gültig ist. Selbst die größten Hits der Videospielindustrie wie „Grand Theft Auto“ folgen diesem Ansatz: Man zwingt dem Spieler keinen bestimmten Handlungsverlauf auf. „Freie Entfaltung in einer virtuellen Welt“ – so lautet das noch immer gültige Kredo. So folgte „Elite“ damals wie heute einem einfachen Prinzip: Ausgerüstet mit einem Raumschiff geht es darum, sich in der Galaxie einen Namen zu machen – durch klugen Handel mit interstellaren Gütern, dem Abschießen von Piraten, Managen von Raumstationen oder der Eroberung fremder Planeten.

An kaum einem anderen Spiel lassen sich daher die vergangenen 30 Jahre so gut rekapitulieren wie an „Elite“. 1984 wurden mit wenigen Strichen Raumstationen oder Planeten auf den Monitor gebracht – heute wandern vom Sonnenstand abhängige Schatten durch ein dreidimensionales Cockpit, in dem man sich in alle Richtungen frei umsehen kann, während man an riesige, fotorealistische Raumstationen andockt. Gleichwohl: was der Computer damals noch nicht zu leisten vermochte, ergänzte das Kopfkino des Spielers.

Das neue „Elite: Dangerous“ will nun das Genre nicht neu erfinden, sondern das alte Spielerlebnis zeitgemäß umsetzen. Wie damals findet sich der Spieler mit nicht viel mehr als ein paar Credits im Weltraum wieder, und es liegt allein an ihm, welchen Weg er einschlagen möchte. Braben verspricht dabei, dass das neue „Elite“-Universum dynamisch sein soll und dass Aktionen des Spielers direkte Auswirkungen auf die Umwelt haben werden. Selbstredend wird das Spiel heute über das Internet gespielt – Tausende anderer realer Mitspieler bevölkern somit das eigene Universum.

Fast drei Millionen Euro über Crowdfunding

Zudem liegt dem Spiel heute eine moderne Simulation physikalischer Effekte zugrunde. Wer etwa zu stark Schub gibt und zu eng in eine Kurve fliegt, den können Fliehkräfte aus der Bahn tragen. Über Jahrzehnte flogen Raumschiffe auf dem Computer wie auf Schienen – das ist beim aktuellen „Elite“ vorbei. Möglich machen dies moderne Prozessoren.

Und in noch einem Punkt unterscheidet sich das heutige Spiel vom damaligen – nämlich in seiner Entstehung selbst: Wurden Spiele über Jahrzehnte hinter verschlossenen Türen programmiert, so hat die Kunde heute Einfluss wie nie zuvor. So wurde das neue „Elite“ über Crowdfunding finanziert. Das Ziel von 1,5 Millionen Euro wurde schnell erreicht – mittlerweile hat Braben fast das Doppelte eingenommen. Im Gegenzug haben die vielen privaten Kreditgeber einen großen Einfluss auf die Entwicklung. Das erhöht einerseits den Druck auf die Programmierer, andererseits gibt es für sie so viel Input wie noch nie.

Nicht zuletzt soll die neue Version echten Entdeckergeist fördern. Dienen bei vielen Weltraumspielen Planeten und Sonnensysteme im Hintergrund lediglich als „Tapete“, so sollen bei der Neuauflage von „Elite“ alle Objekte tatsächlich dreidimensional modelliert sein. Man landet auf den Planeten, gerade so, als sei man selbst dort. Dieses Gefühl des Eintauchens in fremde Welten wurde in den vergangenen Jahren kräftig strapaziert. Mit der angekündigten 3-D-Brille Oculus Rift, mit der man sich tatsächlich frei in einem virtuellen Raum umschauen kann, kommt man diesem Spielgefühl tatsächlich einen Riesenschritt näher. Die Brille und das neue „Elite“-Spiel werden in wenigen Monaten fast zeitgleich auf den Markt kommen. Es sind zwei Entwicklungen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren, die aber nicht besser zueinanderpassen könnten.

Entwicklung der Weltraum-Computerspiele

Persönliches
Der britischen Programmierer David Braben (50) hat an der Universität Cambridge studiert und zusammen mit Ian Bell „Elite“ entwickelt, das vor 30 Jahren erschien.Obwohl er noch manch anderen Titel wie Achterbahnsimulationen veröffentlicht hat, ist das Steckenpferd Brabens der Weltraum – und dieser in einer möglichst realistischen Form.

Fortsetzung
Mitte der 90er Jahre erschien mit „Frontier“ der Nachfolgetitel des ursprünglichen Spiels „Elite“, der aber unter den Erwartungen blieb – obwohl in ihm sogar vollständige Planetensysteme simuliert wurden.

Ego-Shooter
Das Genre des Weltraumspiels selbst lag in den vergangenen Jahren insgesamt ziemlich brach, obwohl es für den Computer einst bei seinem Siegeszug als Spielgerät entscheidend war. Ego-Shooter hatten das Genre in den vergangenen Jahren fast komplett aus dem Markt gedrängt.

Konkurrenz
Aktuell feiern Weltraumspiele jedoch gleich mit mehreren Titeln ihre Wiederauferstehung – darunter „Star Citizen“, der größte Konkurrent von „Elite: Dangerous“, der Wiederauflage des alten „Elite“. Das Spiel wird von einem Team um Chris Roberts programmiert, Schöpfer der legendären „Wing Commander“-Serie. Dieses Spiel soll 2015 erscheinen.