Es ist das erfolgreichste Computerspiel der Welt – innerhalb von drei Tagen hat Grand Theft Auto eine Milliarde Dollar eingespielt Ein 15.000-Seelen-Städtchen sechzig Kilometer südlich von Edinburgh hat jedoch Ärger mit dem Spiel.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Der Jahrgang 1965 der Hawick High School ist am Samstag Abend um 19.30 Uhr in den Border Club eingeladen. Zu dem Klassentreffen dürfen keine Partner mitgenommen werden. Der Unkostenbeitrag von fünf Pfund ist am Eingang zu entrichten.“ Das ist der Höhepunkt des Veranstaltungskalenders von Hawick am Wochenende. Es ist eher ruhig dort, und die Einwohner schätzen das. Umso schlimmer ist für sie der kleine Marketing-Gag der Computerspiel-Firma „Rockstar North“ in Edinburgh, Schottland.

 

Ein Schmunzeln haben sich schottische Spiele-Enthusiasten nicht versagen können, als sie in den vergangenen Tagen das seit einer Woche erhältliche Computerspiel Grand Theft Auto V ausprobiert haben. Das erfolgreichste Spiel der Welt – innerhalb von drei Tagen hat es eine Milliarde Dollar eingespielt – entführt seine Spieler in ein fiktives Los Angeles, aber hält eine kleine Überraschung für seine Käufer speziell im britischen Norden bereit.

Das Spiel ist von Schotten in Schottland entwickelt worden. Und bei der Entwicklung in Edinburgh wollte man dem Exportschlager offenbar eine schottische Note mit auf die Reise geben. Viele kleine versteckte oder offensichtliche Hinweise sind zu finden – eine schottische Fahne, viele von schottischen Sehenswürdigkeiten stammende Namen, sogar ganze Bauwerke wie die charakteristische Eisenbahnbrücke Forth Bridge, die im Spiel Kincaid Bridge heißt, sind zu sehen.

15 000-Seelen-Städtchen Hawick kennt nun die ganze Welt

Auch ihren Fußball haben die Grand-Theft-Erfinder nicht ausgelassen. Eine Luxusherberge im Spiel, das Celtica Hotel, ist augenscheinlich nach Celtic FC, Glasgows katholischem Fußballverein, benannt. Zu den Nummernschildern im Spiel gehören solche wie „GL4S GOWV“ oder „R4N G3RS“ (nach dem protestantischen Klub gleichen Namens). Auch ein Kennzeichen „GA ZZA“ gibt es. Es bezieht sich auf den Spitznamen Paul Gascoignes, des früheren Rangers-Spielers, dem man bei Grand Theft Auto V die Treue hält.

Nur ein Ort, den nun alle Welt kennt, wäre lieber nicht ins Spiel aufgenommen worden. Hawick, dieses 15 000-Seelen-Städtchen sechzig Kilometer südlich von Edinburgh, ist in Grand Theft zu einem üblen „Druggie-Hipster“-Vorort von Los Santos (alias Los Angeles) verkommen. Prostitution, Drogenhandel und Kriminalität kennzeichnen das Spiele-Hawick, das den Hintergrund für Schießereien und allerlei sonstige Brutalitäten abgibt. Was den ehrbaren Bürgern des wirklichen Hawick begreiflicherweise sehr missfällt. „Abscheulich“ findet es zum Beispiel der Hawick-Gemeinderat David Paterson. „Hawick ist ein wunderschöner Ort“, empört sich Paterson. „So etwas zu tun, ist doch wirklich lächerlich. Ich habe hier mein Lebtag lang keine einzige Schusswaffe gesehen.“ Die Leute seien „sehr, sehr stolz“ auf ihre Gemeinde. Sie verdienten keine „schlechte Publizität“ dieser Art, die den Ruf Hawicks „ein für allemal zerstören“ könne.

Gemeinde wird zum Gewalt-, Sex- und Drogen-Hotspot

Auch der schottische Abgeordnete John Lamont, zu dessen Wahlkreis Hawick gehört, zeigt sich „erschrocken“ darüber, dass man die brave schottische Gemeinde zum Gewalt-, Sex- und Drogen-Hotspot eines elektronischen Spiels gemacht hat. Seit 1996 haben die Hersteller 135 Millionen Kopien verkauft. Die Hawick-Version V soll mindestens 25 Millionen Mal über die Ladentheke gehen.

„Ganz offenkundig kennen die Spiele-Produzenten Hawick nicht besonders gut“, meint Lamont, der die in Edinburgh angesiedelten Erfinder von Grand Theft darum zu einem Besuch in sein Büro auf der Hauptstraße von Hawick eingeladen hat: „Ich bin sicher, dass sie begreifen werden, was für einen Fehler sie hier gemacht haben – wenn sie erst einmal zu uns kommen, und wir ihnen diese Stadt und ihre stolze Geschichte vor Augen führen können.“