„Der Landwirtschaftssimulator“ zählt zu den populärsten Spielen am PC. Selbst Bauern spielen es gern.

Stuttgart - Hitzige Verfolgungsjagden durch enge Häuserschluchten, wüste Schießereien mit Außerirdischen auf fremden Planeten: Computerspiele bieten zahllose Möglichkeiten zum nervenaufreibenden Zeitvertreib. Populär sind aber beileibe nicht nur Actionspiele. Im Gegenteil: einer der beliebtesten Titel der Gegenwart ist der Landwirtschafts-Simulator, den das Schweizer Entwicklerstudios Giants Software konzipiert hat. Das Spiel hat sich bereits millionenfach verkauft und erfährt fast im Jahresrhythmus Neuauflagen.

 

Auf den ersten Blick ist dieser Erfolg unglaublich. Während bekannte Verkaufsschlager wie „Fallout“ oder „Grand Theft Auto“ auf eine spektakuläre Grafik und eine packende Story setzen, wirkt das Geschehen beim Landwirtschafts-Simulator dröge: Der Spieler managt einen Agrarbetrieb, pflügt mit dem Traktor über seine Felder und kümmert sich um die Viehzucht. Ein von dem Programm definiertes Ziel gibt es nicht, ebenso wenig eine Handlung. Der Fokus liegt vielmehr darauf, dem Nutzer die Bedienung verschiedener landwirtschaftlicher Geräte zu simulieren. Stellt man sich dabei nicht allzu ungeschickt an, erwirtschaftet man rasch Gewinn, mit dem man neue und bessere Maschinen erwerben kann. Spektakulär ist dies alles nicht – und trotzdem findet der Simulator reißenden Absatz. Wieso nur?

Man macht im Spiel viel raschere Fortschritte als in der Realität

Dieser Frage ging Renzo Thönen, Chefentwickler und Mitinhaber von Giants Software, bei einem Podiumsgespräch mit Beat Suter, Dozent für Gamedesign an der Zürcher Hochschule der Künste, in der Reihe „Game Talks“ in der Stuttgarter Stadtbibliothek nach. Thönen betonte dabei die Freiheit, die das Spiel bietet. So sei es jedem selbst überlassen, ob er sich um den Ackerbau kümmert oder lieber seine Tage mit dem Fällen von Bäumen verbringt. „Simulationen dürfen dem Spieler nur wenig starre Strukturen vorgeben“, betonte Thönen. Dementsprechend folgt der Landwirtschafts-Simulator dem sogenannten Sandkastenprinzip. Das Programm bietet den Spielern die Möglichkeit, verschiedene Maschinen zu benutzen, was sie damit aber konkret tun, bleibt ihnen selbst überlassen.

Der Spieleentwickler Thönen machte deutlich, dass es für die Programmierer eine Herausforderung ist, eine Simulation zu entwickeln, die realistisch ist, zugleich aber Spaß macht. So legen die Fans der Reihe zwar großen Wert darauf, dass die Preise für die Gerätschaften, die man in dem Spiel erwerben kann, in etwa denen entsprechen, die man auch im wirklichen Leben bezahlt. Gleichzeitig aber macht man im Spiel viel raschere Fortschritte als in der Realität, da etwa die Aussicht, wie im echten Leben monatelang auf die Ernte warten zu müssen, selbst hartgesottene Fans abschrecken würde.

Es ist eine Heile-Welt-Simulation

Um dieses Problem zu lösen, orientiert man sich bei Giants Software am Prinzip des „selektiven Realismus“. Dieses definiert Thönen so: „Wir simulieren Realität, aber wir vereinfachen komplexe oder langweilige Prozesse, ohne dabei unsere Hardcore-Fans zu verärgern.“ Dies bedeutet, dass die unangenehmen Seiten des Lebens eines Landwirts ausgeblendet werden. So gibt es zum Beispiel keine Tierkrankheiten oder Naturkatastrophen, auch politische Fragen wie die Debatte um Agrarsubventionen spielen keine Rolle. „Es ist eine Heile-Welt-Simulation, das muss man schon sagen“, räumte Thönen ein.

Vermutlich aber gefällt gerade dieser Aspekt vielen Spieler. Angesprochen fühlen sich davon alle Altersklassen – kurioserweise auch zahlreiche echte Landwirte. Die Entwickler wissen das, denn sie pflegen einen intensiven Austausch mit der Community, um deren Ansprüche zu befriedigen. Allerdings reagieren die Spieler auf Neuerungen bisweilen sehr allergisch, wie Thönen berichtete. Überlegungen, auch futuristische Maschinen in das Programm zu implementieren, wurden daher rasch wieder verworfen, was zeigt, dass die virtuellen Landwirte nicht nur eine Vorliebe für leistungsstarke Traktoren haben, sondern auch einen Hang zum Althergebrachten aufweisen.