Die Bundesregierung ist uneins: Der Innenminister verteidigt die Anwendung von Spionagesoftware – die Justizministerin ist dagegen.
Berlin - Die staatliche Spionagesoftware zur Überwachung von Computern sorgt für heftige Diskussionen in der Bundesregierung. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigte den Einsatz sogenannter Trojaner. Die Länder hätten die Grenzen dessen, was rechtlich zulässig sei, nicht überschritten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sowie Politiker von Linken und Grünen widersprachen.
Leutheusser-Schnarrenberger forderte eine Sonderkonferenz der Innenminister, um ein "präzises Lagebild" zu bekommen. Für Donnerstag planen die Innenminister eine Telefonkonferenz. Am Mittwoch sind die Trojaner auch Thema im Innenausschuss des Bundestages.
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte vor rund einer Woche die Version eines Trojaners zum Abhören von verschlüsselten Telefonaten über das Internet ("Quellen-TKÜ") angeprangert. Nach Angaben des Clubs kann die Software, die auch in Bayern eingesetzt wurde, mehr, als sie darf und hinterlässt auf dem Computer des Betroffenen gravierende Sicherheitslücken, die Dritte ausnutzen könnten.
"Der Einsatz der Programme muss sofort gestoppt werden"
Im Zentrum der Kritik steht eine Nachladefunktion, mit deren Hilfe die Überwachung eines Computers nach CCC-Angaben bis hin zur verfassungsrechtlich äußerst sensiblen Online-Durchsuchung, also der Durchsuchung der Festplatte, ausgeweitet werden kann. CCC-Sprecher Frank Rieger sagte der "FAS", die Nachladefunktion in dem Trojaner sei definitiv funktionsfähig gewesen, aber ihr Einsatz habe sich nicht nachweisen lassen. Friedrich sagte: "Wir brauchen diese Nachladefunktion, um uns den normalen Updates auf dem Zielcomputer anpassen zu können."
Ein Ministeriumssprecher bekräftigte, es werde sichergestellt, das mit dem Nachladen keine Funktionen erweitert würden. Dagegen warnte die Justizministerin: "Wenn eine Überwachungssoftware das Nachladen von Funktionen ermöglicht, kann die Telefonüberwachung zur Online-Durchsuchung mutieren, für die rechtlich ganz andere Maßstäbe gelten."
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2008 in einem grundlegenden Urteil ein Grundrecht auf Schutz des persönlichen Computers geschaffen und hohe Hürden für Online-Durchsuchungen gesetzt. Die Quellen-TKÜ wird deutlich häufiger angewandt als die Online-Durchsuchung. Der IT-Experte Sandro Gaycken bezweifelte im "Focus", dass die Software so zu programmieren ist, dass sie nur auf "ganz bestimmte Kanäle" blickt, also zum Beispiel nur Telefonate via Internet belauscht.
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Friedrich vor, wissentlich die Möglichkeit eines verfassungswidrigen Einsatzes in Kauf zu nehmen. Der Einsatz der Programme müsse sofort gestoppt werden.