Auch der Confedcup kann die erhitzen Gemüter nicht besänftigen. An jedem Spieltag kam es zu Demonstrationen. Das zeigt, dass in Brasilien im Vorfeld der WM 2014 der Unmut nicht nur gegen den Weltverband Fifa, sondern auch gegen die eigene Regierung wächst.

Rio - Joseph Blatter hat sich getäuscht. Wenn der Ball erstmal richtig rolle, so meinte der Fifa-Chef zu Beginn des Confedcup-Turniers leichthin, dann würden die Brasilianer schon aufhören mit dem Protestieren. Falsch – an jedem Spieltag kam es zu Demonstrationen, und auch fürs Endspiel Brasilien gegen Spanien (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) waren Kundgebungen angekündigt.

 

Getäuscht haben sich auch jene, die den Demonstranten nur schlaues Timing unterstellten – dass also Hunderttausende in den vergangenen Wochen nur auf die Straße gegangen wären, weil die Welt wegen des Fußballs gerade auf Brasilien schaut. Auch falsch – so weit gefächert die Forderungen der Demonstranten sind, die Empörung über die Kosten der Stadien steht stets im Hintergrund.

„Wenn Ihr Kind krank ist, suchen Sie bitte sofort ein Fußballstadion auf!“ – dieser grimmige Demonstrationshumor stellt doch gerade die Verbindung zwischen den sozialen Missständen und den rund zehn Milliarden Euro her, die die WM in Brasilien kostet. Und dass das nun alles mit dem Confedcup aus und vorbei ist, glaubt kaum jemand in Brasilien. Spätestens bei der WM dürfte die Empörung wieder hochkochen. Dass sie deshalb aus Brasilien abgezogen und in ein anderes Land verlegt wird, ist dennoch jenseits aller Wahrscheinlichkeit.

Eine neue Empörwelle bei der WM ist möglich

Nur eingeschworene Fußballfeinde – aber die muss man in Brasilien mit der Lupe suchen – würden bestreiten, dass Brasiliens Stadien renovierungsbedürftig waren. Als das Land 2007 den Zuschlag für die WM bekam, übertrumpfte die Regierung den Fifa-Gigantismus noch und bestand auf zwölf Spielstädte und folglich zwölf neue oder zumindest renovierte Stadien, von denen drei bis vier nach 2014 ziemlich unbenutzt herumstehen werden, mangels nennenswerter örtlicher Fußballmannschaften. Die Fifa freilich hätte sich auch mit sechs Spielorten beschieden.

Dennoch wurde sie zur Hassfigur. Dass der Generalsekretär Jerome Valcke erklärte, die Brasilianer bräuchten „einen Tritt in den Hintern“, weil sie in Verzug seien, wurde als Unverschämtheit empfunden. Die nationale Souveränität schien verletzt, als die Fifa auf den Ausschank von (ihrem) Bier in den normalerweise alkoholfreien brasilianischen Stadien bestand, als sie für die Spiele keine Senioren- und Studentenfreikarten herausrücken und sogar die Baianas verbieten wollte, die traditionellen Köchinnen mit ihrem Acarajé genannten Snack. Sich über die Vorschriften der Fifa zu erregen, ist zwar etwas naiv – schließlich weiß alle Welt, was für eine raffgierige Geldmaschine der Weltverband ist -, aber dennoch wuchs der Unmut.

Neben allem Stolz, das Megaereignis ausrichten zu dürfen, behauptete sich auch das ungute Gefühl, dass Brasilien die Gestaltungshoheit aus der Hand genommen worden sei – und das ausgerechnet beim Fußball, den die Brasilianer spätestens seit dem ersten Weltmeistertitel 1958 als eine Art Nationalheiligtum ansehen. WM hin, Confedcup her – irgendwie scheint sich die „torcida“, also die Fangemeinde, beim Campeonato Brasileiro wohler zu fühlen als bei den Megaevents. Die gelten vielen als eine fürs Ausland inszenierte Show.

Die Infrastruktur für die WM ist noch nicht fertig

Aber für diese Entfremdung trägt auch die Regierung Verantwortung. Dass Ricardo Teixeira, der mittlerweile von der Bildfläche verschwundene Chef des Nationalen Fußballbunds, 2007 log, als er verhieß, alles werde sich privat finanzieren, war eigentlich damals schon klar. Aber die Politik hat dem Steuerzahler die Riesenereignisse und die Riesenausgaben mit dem Versprechen schmackhaft gemacht, quasi nebenher würden die Flughäfen ausgebaut, die Städte saniert, neue Busse und Bahnen gebaut.

Jetzt, nach dem Test des Confedcups ein Jahr vor der Weltmeisterschaft, ist zwar klar, dass die Stadien fertig werden. Aber von 44 großen Infrastrukturprojekten, die in direktem Zusammenhang mit der WM stehen, ist gerade mal eines fertig. Alle anderen sind zeitlich in Verzug, und einige davon werden womöglich noch klammheimlich in der Versenkung verschwinden.

In Brasiliens Verantwortung fällt auch die Elitisierung des Fußballs schlechthin, über die sich die Demonstranten genauso erregen. Durch Kommerzialisierung und Privatisierung, durch die Abschaffung der billigen Stehplätze und die Erhöhung der Preise ist aus dem urbrasilianischen Proletenspaß Fußball ein Vergnügen für die Mittelklasse geworden. Wer arm ist, kann Fußball nicht mehr im Stadion verfolgen, sondern nur noch im Fernsehen.