Studierende der Hochschule der Medien präsentieren auf dem Eiermann-Campus Visionen für eine Stadt der Zukunft. So könnten Wohnungen mit den Bewohnern kommunizieren und die passende Feierabendmusik spielen.

Vaihingen - Schreibmaschinen klappern. Telefone klingeln. Vielstimmiges Gemurmel zeugt von reger Betriebsamkeit. Es ist ein Nachhall der 70er-Jahre, der die Besucher des Eiermann-Campus empfängt, die am Mittwochabend das Atrium in Pavillon 1 durchqueren. Der Reise in die Vergangenheit folgt ein Sprung in die Zukunft. „Zeitmaschine“ steht auf den Drehtüren, die in die einstige IBM-Cafeteria führen. „Willkommen im Jahr 2050“ prangt es auf der Projektionsfläche im Saal, wo sich rund 200 Gäste versammelt haben, um Stutopia zu besuchen. Der multimedialen Vision vom künftigen urbanen Leben wurde im Rahmen des interdisziplinären Projekts Conmedia von Studierenden der Hochschule der Medien (HdM) konzipiert.

 

Dass die Pläne des Münchner Architekten Johann Spengler und seiner Kollegen für die Zukunft des Eiermann-Areals in 33 Jahren umgesetzt sind, darf als sicher gelten. „In zehn bis zwanzig Jahren sollten wir fertig sein“, überlegt er. Spengler gibt nicht nur einen Einblick in den erfolgreichen Wettbewerbsentwurf – ein vergleichsweise dicht bebautes Viertel mit Freiflächen und Mischnutzung, Wohnraum und Bürofläche mit einem langgezogenen Gebäudekomplex, der als Lärmschutz fungiert – er spricht auch mit Moderatorin Delia Traeger über die zu erwartende städtebauliche Entwicklung: „Ich denke, dass sich die heute geltenden Vorschriften für Planer ändern müssen“, gibt er zu bedenken. „Beliebte Münchner Viertel wie Schwabing könnten heute gar nicht mehr entstehen. Dabei bieten sie eine attraktive Kompaktheit.“

Der Wecker klingelt, wenn der Schlafbedarf gedeckt ist

Auch prophezeit Spengler ein Zusammenrücken von Wohnen und Arbeiten. Das könnte bedeuten, dass Räume flexibler gestaltet werden müssen. In einer Animation verwandelt sich die Einrichtung organisch, wird zum Büro, dann wieder zum privaten Refugium. Eine Spielszene illustriert, wie der Alltag aussehen könnte. Wohnung und Bewohnerin kommunizieren. Die passende Musik zum Feierabend und das Essen werden vom Zuhause ausgewählt. Der Wecker klingelt, sobald der optimale Schlafbedarf gedeckt ist. Das ist für manchen eine abschreckende Vorstellung. „Ich möchte meine Entscheidungen lieber selber treffen“, stellt ein junger Mann aus dem Publikum fest.

Auch die Vision, autonomes Fahren könnte zur Selbstverständlichkeit werden, stößt auf Kritik. Wolfgang Gruel, Professor an der HdM, meldet sich in einer fingierten Live-Schaltung vom Rücksitz eines futuristischen Gefährts zu Wort: „Wenn Autofahren noch einfacher wird, werden es auch noch mehr Menschen tun“, gibt er zu bedenken. „Dann stehen wir nur noch im Stau.“ Auch drohe die Zersiedelung der Städte, weil viele Menschen aufs Land ziehen und pendeln würden.

Paket-Drohnen fliegen an begrünten Fassaden vorbei

Vielleicht kommt ja aber auch alles ganz anders? Claudius Schaufler vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation stellt Ideen vor, die zu einer Verringerung des Stadtverkehrs führen könnten. So ließen sich die Fahrzeuge von Paketdiensten durch Lastenräder ersetzen. Vielleicht fliegen ja aber auch irgendwann Drohnen mit der Post an den vertikal begrünten Fassaden Stutopias vorbei? Ioannis Giannaras vom Unternehmen Hydroflora, der über Tücken und Chancen bepflanzter Gebäude informiert, würde es freuen.

Carina Kreidler ist am Ende vor allem froh, dass im Hier und Jetzt alles geklappt hat. „Es steckt eine Menge Arbeit dahinter“, berichtet die Studentin der Medienwirtschaft. „Allein, die ganzen Clips zu drehen, war schon ein Riesenaufwand, aber auch die Organisation. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis und das Feedback ist bisher auch sehr positiv.“

Ob sich die Stadt der Zukunft entwickeln wird, wie es die 25 beteiligten Studierenden skizziert haben, ist letztlich zweitrangig, findet Claudius Schaufler. „Es ist wichtig, dass solche Veranstaltungen wie diese eine mögliche strategische Ausrichtung umreißen“, beurteilt er den Abend. „So entsteht mehr Akzeptanz gegenüber Konzepten, die uns wirklich voranbringen können, zumal wenn die mediale Umsetzung so überragend gelingt wie hier.“