Der Auto-Verbandschef Bernhard Mattes sieht die US-Hersteller als Verbündete bei der Abwehr von Strafzöllen auf deutsche Autos – und sieht die hiesigen Hersteller weltweit an der Spitze im Innovationswettlauf.

Las Vegas - Während sich viele Casino-Mitarbeiter in Las Vegas tagsüber an den Spieltischen langweilen, weil wenig los ist und die bunt blinkenden Automaten nur wenige Zocker anlocken können, herrscht in dieser Woche auf dem Messegelände und in den Konferenzsälen der großen Hotels Hochbetrieb. Die Elektronikmesse CES (Consumer Electronics Show) hat wieder für vier Tage ihre Tore für das Fachpublikum geöffnet. In den vergangenen Jahren ist die Messe stetig gewachsen und platzt heute aus allen Nähten.

 

Aus der CES, einer Messe für Unterhaltungselektronik, ist eine Innovationsschau für Hightech aller Art geworden, die immer mehr ausufert. Die Vielzahl der Themen ist kaum noch zu überblicken. Es geht um Smartphones und Fernseher, Drohnen und Künstliche Intelligenz, Roboter und Katzenklos mit Internetanschluss et cetera.

Mehr als 4500 Aussteller präsentieren sich, rund 1100 Start-ups werben in einem eigenen Bereich um Aufmerksamkeit. Parallel finden mehr als 250 Konferenzen statt. Das Messegelände ist längst zu klein, um alle Aussteller aufzunehmen. Deshalb werden vor den Toren der Messe Pavillons errichtet. Auch der Herzogenauracher Mittelständler Schaeffler hat dort neben dem Internetriesen Google ein Zelt mit gläsernen Seitenwänden errichtet, in dem Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), seine Premiere auf der CES hat. Erstmals verzichtet der Verband auf eine Pressekonferenz auf der traditionsreichen Autoshow in Detroit, die kommende Woche stattfindet, und gibt Las Vegas den Vorzug, wo auch fast alle deutschen Autobauer und viele Zulieferer vertreten sind.

Lässt sich Trump eines Besseren belehren?

Mattes’ erster Auftritt als Verbandschef in Las Vegas ist nicht einfach; es steht viel auf dem Spiel. Seit Donald Trump US-Präsident ist, bekämpft der 72-Jährige China und Europa mit Strafzöllen, weil er die Exportüberschüsse der Handelspartner als Zeichen für unfaire Verhältnisse einschätzt. Gerade auf die deutschen Autobauer ist Trump nicht gut zu sprechen. Schon kurz vor seinem Amtsantritt vor zwei Jahren moserte er, dass es zwar in New York viele Wagen von Mercedes-Benz gebe, in Deutschland jedoch kaum Chevrolets. BMW-Chef Harald Krüger reiste damals eilends in die USA, um den US-Präsidenten darüber aufzuklären, welch großen Beitrag die deutschen Autobauer mit ihren Werken für den Wohlstand der Amerikaner leisten.

Doch Trump schien unbelehrbar. Im Dezember erst waren Daimler-Chef Dieter Zetsche, VW-Chef Herbert Diess und BMW-Finanzchef Nicolas Peter erneut nach Washington geflogen, um dem US-Präsidenten und dessen Mannschaft zu verdeutlichen, wie viel die deutschen Autobauer in Amerika investieren. Die Manager äußerten sich nach dem Blitzbesuch in Washington positiv über den Verlauf der Gespräche, doch gebannt ist die Gefahr von Strafzöllen keineswegs.

BMW ist heute der größte Autoexporteur der USA

Auch Mattes hebt in Las Vegas hervor, dass die Vereinigten Staaten für die deutschen Hersteller und Zulieferer sowohl ein bedeutender Markt als auch ein strategisch wichtiger Produktionsstandort seien. Die deutsche Autoindustrie beschäftige in mehr als 300 US-Werken mehr als 118 000 Mitarbeiter, davon 80 000 bei Zulieferern. Mehr als jedes zweite hier produzierte Auto werde nach Europa, Asien sowie in den Rest der Welt exportiert. Nicht General Motors oder Ford, sondern BMW sei heute der größte Autoexporteur der USA. „Diese Zahlen unterstreichen, welche Bedeutung die deutsche Autoindustrie für die US-Wirtschaft hat“, sagt Mattes und meint, dies seien sehr starke Argumente „in unseren Gesprächen über freien und fairen Handel“.

Der VDA-Präsident weist darauf hin, dass auch die US-Autobauer gegen Strafzölle für die Europäer seien. Wie Trump letztlich entscheide, wisse keiner. „Aber es ist gut, dass wir miteinander reden“, sagt Mattes und weist auf die Gespräche zwischen Brüssel und Washington über ein Handelsabkommen hin. Am Dienstag sollte die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström dazu in Washington den US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer treffen.

Bei der reinen Elektromobilität nur im Mittelfeld

Der VDA-Präsident sieht die deutschen Autobauer ganz an der Spitze im Innovationswettlauf. „Mit den weltweit höchsten Forschungsinvestitionen stehen wir auf der Pole-Position. Wir gestalten die Mobilität der Zukunft“, schwärmt Mattes und weist darauf hin, dass die deutschen Anbieter in den kommenden drei Jahren ihr Angebot an Elektromobilen auf 100 Modelle verdreifachen und bis dahin 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe investieren wollen. Die deutsche Branche sei auch Spitzenreiter bei alternativen Antriebspatenten: Weltweit komme jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb aus Deutschland, rund die Hälfte der weltweiten Patente zum vernetzten und automatisierten Fahren komme von deutschen Herstellern und Zulieferern.

Der Autoexperte Stefan Bratzel, Chef des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, sieht das nüchterner. Der Wissenschaftler untersucht regelmäßig die Innovationsstärke der Autohersteller. In einer kürzlich vorgelegten Untersuchung kommt Bratzel zu dem Ergebnis, dass die deutschen Automobilhersteller über alle Technologiefelder hinweg immer noch eine sehr hohe Innovationsstärke besitzen, bei der reinen Elektromobilität aber nur im Mittelfeld liegen. Hier liegt nach dieser Studie Tesla mit weitem Abstand vorn, gefolgt von den chinesischen Herstellern BAIC und BYD. Auch auf dem Weg zum autonomen Fahren sieht Bratzel die heimischen Hersteller keineswegs in der Spitzenposition. „Hier gibt es neue Player wie die Google-Schwester Waymo, die viel weiter sind“, urteilt der Wissenschaftler.