Corona an der Ostalb Die Krise kam mit dem Bus

Wenn am späten Nachmittag die Skifahrer von den Pisten kommen, füllen sich die Straßen von Ischgl. Und manch ein Sportler geht gar nicht erst heim, sondern kehrt gleich ein zum Après-Ski in einer der zahlreichen Bars und Kneipen des Alpendorfs. Foto: /imago stock&people

Das Ski- und Partywochenende in Ischgl endete für etwa 200 Teilnehmer aus dem Ostalbkreis mit Quarantäne und Coronatests: Einige Mitfahrer hatten sich infiziert. Der Landkreis reagierte prompt – schneller als das Land Tirol.

Aalen - Susanne Dietterle hat gerade wenig Zeit, sich mit internationalen Verwicklungen zu befassen. Daheim im Ostalbkreis folgt eine Lagebesprechung der anderen, die Corona-Krise ist gleich mit drei Bugwellen in Aalen gelandet. Eine davon wurde im österreichischen Ischgl angeschubst und schwappte an der Ostalb schon hoch, als den Verantwortlichen in Tirol wohl erst langsam dämmerte, dass da niemand ohne Not Wellen machte. „Das war ein wahnsinniger Kraftakt“, sagt Dietterle, die Sprecherin des Landrats Klaus Pavel (CDU).

 

Am Donnerstagabend gegen 21 Uhr meldete das Aalener Gesundheitsamt zwei positive Corona-Fälle und einige weitere, bei denen alles auf einen Infekt hindeutete. Im Landratsamt sei man alarmiert gewesen, sagt Susanne Dietterle, denn „ach du liebe Güte, die waren in Ischgl“ – und das nicht allein, sondern im Pulk. Alle Erkrankten waren mit drei unterschiedlichen Reiseanbietern am Wochenende davor in der Tiroler Ski- und Partymetropole gewesen. Sechs Busse mit etwa 200 Teilnehmern waren betroffen, ein Krisenstab stellte zusammen mit den Reiseveranstaltern eine Liste der Teilnehmer zusammen. Und die Feuerwehr half.

Die Nachverfolgung ist nicht mehr zu leisten

„Innerhalb einer Viertelstunde waren zehn Mann da“, erzählt Dietterle, sie hätten sich ans Telefon gehängt. Noch am Abend des 12. März versuchten sie, die Ischgl-Skifahrer des vorigen Wochenendes zu erreichen und zu informieren. Alle Busreisenden sollten bitte zu Hause bleiben und bei Symptomen über das Gesundheitsamt einen Termin für einen Corona-Test vereinbaren. Eigens dafür begann schon am Freitag ein neues Drive-in-Zentrum damit, Corona-Tests durchzuführen. 25 Mitarbeiter sind seitdem im Landratsamt damit beschäftigt, die Flut von Mails abzuarbeiten, die den Landkreis über die eigens dafür eingerichtete Mailadresse ischgl@ostalbkreis.de erreicht.

Am Sonntagabend waren im Ostalbkreis 45 Infizierte registriert, und im Landratsamt fragt man sich, wie man es noch schaffen soll, die vom Land verordnete Nachverfolgung der Kontaktpersonen weiter zu betreiben. „Das ist nicht mehr praktikabel“, ächzt Dietterle.

Tirol hat mit Verspätung reagiert

Am Freitag, dem 13., wurde auch in Tirol klar, dass die bis dahin bereits 190 in und um Ischgl registrierten Corona-Fälle doch mehr sind als ein Sturm im Wasserglas. Der Ort im Paznauntal ist laut Tirol Tourism Research (TTR) nach dem Ötztal mit 2,3 Millionen Übernachtungen in der Wintersaison die Nummer zwei im Tiroler Tourismus, Tendenz steigend. 60 000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Insgesamt 8,4 Milliarden Euro Umsatz werden von November bis April erwirtschaftet, das ist ein ganz erklecklicher Teil des Bruttoinlandsprodukts. Die Wintersaison wurde mittlerweile vorzeitig beendet, das Paznauntal isoliert. In Ischgl, See, Kappl, Galtür und St. Anton darf niemand mehr rein oder raus. Ausländische Gäste wurden aufgefordert heimzufahren.

Die Tiroler sind von der Dynamik der Corona-Krise offenkundig überrascht worden. Denn Island hatte Ischgl bereits am 5. März zum Risikogebiet erklärt, weil dort unter 14 Rückkehrern aus dem Skigebiet gleich mehrere positiv getestet worden waren. Die Erkrankten hätten sich wahrscheinlich auf dem Rückflug angesteckt, mutmaßten die Tiroler Behörden zu diesem Zeitpunkt. Auch als bekannt wurde, dass ein Barkeeper der Partykneipe Kitzloch infiziert war, beließ man es zunächst dabei, das unmittelbare Umfeld des Betroffenen unter Quarantäne zu stellen: Dass sich Gäste bei ihm angesteckt haben könnten, sei eher unwahrscheinlich, hieß es.

Mittlerweile ist bei den Tiroler Behörden die Einschätzung eine andere. Und die Landesregierung wehrt sich entschieden gegen alle Vorwürfe: „Wir haben immer genau zu dem Zeitpunkt, wo gesicherte Informationen vorlagen, Schritte gesetzt“, sagte ein Sprecher am Montag. Nur durch die vorsorgliche Eigeninitiative der Behörden sei es ja überhaupt gelungen, das Lokal, in dem der infizierte Barkeeper gearbeitet habe, als möglichen Verbreitungsort zu identifizieren.

In der Stellungnahme des Tiroler Gesundheitsministers Bernhard Tilg heißt es weiter, dass am 6. März, als konkrete Informationen über die Namen der infizierten isländischen Gäste und ihrer Unterkunftsadressen in Ischgl vorgelegen hätten, sofort alle Mitarbeiter der betreffenden Hotels getestet worden seien – mit jeweils negativem Ergebnis.

Als Vorsichtsmaßnahme seien dann aber Abklärungen auch im erweiterten Umfeld erfolgt, bei denen der Barkeeper dann positiv getestet worden sei. Daraufhin sei am 9. März die Bar geschlossen worden. Wenig später habe man auch alle anderen Ski-Bars in dem beliebten Wintersportort zugemacht.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Corona Tirol Ischgl