Vergangene Woche sieben, jetzt schon 250: in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen ist die Zahl der Corona-infizierten Flüchtlinge stark angestiegen. Helfer berichten von chaotischen Zuständen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ellwangen - Das Ergebnis seines Corona-Tests will Samuel A. (Name geändert) ganz nebenbei auf dem Weg zum Mittagessen erfahren haben. Aus welchem Block er komme, sei er vom Security-Mitarbeiter gefragt worden. „Block 95“ habe A. geantwortet. Dann müsse er draußen essen. Bis dahin war nur den Bewohnern der Blöcke 92 und 93 der Weg in die Kantine der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Ellwangen verwehrt worden. In den Blocks waren alle Erkrankten isoliert worden. Nun war also auch Block 95 von dem Virus betroffen.

 

So stellen es Flüchtlingshelfer der Organisation „Refugees4Refugees“ dar, die Kontakt in die abgeriegelte LEA halten. Es herrschten chaotische Zustände. Die Behörden räumten zumindest ein, dass es einen explosionsartigen Anstieg der Corona-Infektionen in der nach dem Ankunftszentrum in Heidelberg zweitgrößten Flüchtlingsunterkunft im Land gegeben habe. Die Zahl der Fälle unter den Bewohnern sei von sieben am vergangenen Donnerstag auf 251 am Dienstag hoch geschnellt. Noch habe niemand in eine Klinik verlegt werden müssen, betonte das Landratsamt des Ostalbkreises. Betroffen seien aber auch Kinder. Zudem seien 21 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden. Für alle 560 Bewohner wurde eine Ausgangssperre verhängt.

Fünf Kranke in einem Zimmer

Die Entwicklung sei überraschend, sagte eine Sprecherin des Regierungspräsidiums in Stuttgart. Auch das Innenministerium hat keine Erklärung. Der erste Infizierte sei am Donnerstag vor zwei Wochen identifiziert und isoliert worden, teilte ein Sprecher mit. Seit Anfang März habe man alle notwendigen Maßnahmen ergriffen und die Bewohner der Unterkunft mit mehrsprachigen Informationen versorgt und sensibilisiert. Alle Neuzugänge würden ebenfalls seit Anfang März standardmäßig getestet und nach ihrer Ankunft separat untergebracht. Infizierte, Getestete und Kontaktpersonen würden isoliert. „Leider kann aufgrund der 14-tägigen Inkubationszeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine zunächst negativ getestete Person infiziert hatte und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen das Virus weitergetragen hat.“

Flüchtlingshelfer geben den beengten Verhältnissen in der LEA die Schuld an dem Kontrollverlust. Bis zu fünf Menschen teilten sich ein Zimmer, selbst in den Isolationsblocks. Die Abstandsregeln seien vor diesem Hintergrund kaum ernst zu nehmen. Desinfektionsmittel stünden nicht zur Verfügung. Alle selbstgekaufte Vorräte seien mittlerweile aufgebraucht. Nicht einmal die Spender am Kantineneingang würden aufgefüllt. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso die Kantine überhaupt noch betrieben werde.

Konstanz riegelt Unterkunft ab

Ein Sprecher des Innenministeriums räumte ein, dass das Risiko einer Weitergabe des Virus höher sei, wo viele Menschen beengt zusammenlebten und Duschen und Kantinen teilten. Man habe deshalb zu Beginn der Krise Flüchtlinge verstärkt in die Anschlussunterbringung der Landkreise verlegt. Allerdings gibt es auch immer wieder Neuzugänge. So wurden 13 von 40 Insassen der Außenstelle in Giengen an der Brenz (Kreis Heidenheim) positiv auf das Virus getestet und dann nach Ellwangen verlegt. Man wolle aus der LEA eine komplette Isolierunterkunft machen, kritisierten der Flüchtlingshelfer.

Auch in einigen kleineren Anschlussunterkünften ist das Coronavirus mittlerweile angekommen. In Konstanz wurde über Ostern eine Einrichtung nach der Erkrankung von vier Personen isoliert und mit einem Zaun abgeriegelt. Inzwischen habe man die Infizierten und deren Kontaktpersonen allerdings anderswo unterbringen können, erklärte die Stadt. Der Zaun sollte im Verlauf des Mittwochs wieder abgebaut werden, hieß es.