Die Beschlüsse des Bundes und der Länder gehen Ministerpräsident Kretschmann nicht weit genug. Ein weiterer Schritt zur Eindämmung des Virus könnte eine Sperrstunde sein.

Stuttgart - Baden-Württemberg will alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Nach Weihnachten wird bei Gaststättenbesuchen voraussichtlich die Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene wieder eingeführt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Mittwoch im Landtag, „es ist unsere Absicht, dass nur Geboosterte keine Tests vorlegen müssen“. Ehe an diesem Donnerstag die neue Coronaverordnung des Landes veröffentlicht werden soll, müsse man „noch mal besprechen“, wie lange die zweite Impfung als Nachweis der Immunisierung ausreichen solle. Die Ständige Impfkommission empfiehlt nun Auffrischungsimpfungen nach drei Monaten. Möglicherweise ist in dieser Frist kein Test notwendig.

 

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Dem Vernehmen nach wird die Landesregierung in der neuen Coronaverordnung voraussichtlich auch Sperrstunden für Gaststätten verhängen. Am Mittwoch war in Regierungskreisen im Gespräch, dass die Lokale um 20 oder 21 Uhr schließen müssen.

Baden-Württemberg zieht Beschränkungen um einen Tag vor

Die Verordnung soll vom 27. Dezember an gelten. Die Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich am Dienstag darauf verständigt, dass spätestens vom 28. Dezember an stärkere Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genese gelten sollen. Baden-Württemberg nimmt den 27. Dezember. Dann dürfen sich privat nur noch zehn Personen über 14 Jahre treffen; bisher waren in Baden-Württemberg private Treffen von bis zu 50 Personen erlaubt.

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Kretschmann gehen die Beschlüsse der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers nicht weit genug. Kretschmann hatte in einer Protokollerklärung angemerkt, die Beschlüsse seien nicht ausreichend. Dem hatte sich Sachsen angeschlossen. In der Protokollnotiz fordern Baden-Württemberg und Sachsen, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite wieder in Kraft gesetzt wird. Im Landtag betonte er, die Beschlüsse des Bundes und der Länder „geben uns als Land nicht alle nötigen Instrumente an die Hand, um schnell und wirksam reagieren zu können, wenn sich die Lage weiter zuspitzt. So können wir zum Beispiel keine Ausgangssperren erlassen.“ Den Beschlüssen habe er zugestimmt „weil ich ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern für zwingend geboten halte“.

Kretschmann gegen Alleingänge

Dem Vorwurf, das Land tue nicht alles, was rechtlich möglich sei, hielt Kretschmann entgegen: „Baden-Württemberg ist keine Insel. Wir haben eine über 1100 Kilometer lange Grenze zu Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz.“ Würde Baden-Württemberg beispielsweise Gasthäuser schließen, „würde das zu einem riesigen Gastro-Tourismus führen“. Der sei auch nicht im Sinne des Infektionsschutzes.

„Sie wollen Ausgangssperren“, warf FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dem Ministerpräsidenten vor. Aber vor Weihnachten fürchte Kretschmann den Zorn der Bürger. Die FDP wolle keinen Lockdown und trage die Protokollnotiz nicht mit. Volle Unterstützung für den Ministerpräsidenten signalisierte dagegen Manuel Hagel (CDU). „Die Zögerlichkeit der Ampel ist grob fahrlässig. Wir brauchen dringend den vollen Instrumentenkasten. Dieser Beschluss muss her, und zwar schnell“, forderte er.

SPD sieht Widersprüche bei Kretschmann

Andreas Stoch, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, stellt bei Kretschmann einen Widerspruch zwischen Reden und Handeln fest. So habe Hamburg anders als Baden-Württemberg bereits ab Heiligabend Kontaktbeschränkungen verhängt. Auch den Kirchen könnte Baden-Württemberg strengere Regeln auferlegen. Kretschmann aber „scheut Verantwortung für unangenehme Entscheidungen“, kritisierte Stoch.