Gegner der staatlichen Corona-Politik haben in Stuttgart vor dem Gebäude des Südwestrundfunks (SWR) demonstriert – Gewerkschaften kritisieren Diffamierung von Journalisten.

Stuttgart - Die ältere Frau sucht Schutz hinter einer Reihe von Polizisten vor dem Gebäude des Südwestrundfunks (SWR) in der Werderstraße. Als der von zahlreichen Trommlern begleitete Demonstrationszug einer pandemiekritischen Gruppe dann am Funkhaus angekommen war, rief sie den Protestlern entgegen, wie gefährlich der Virus sei und unter welchen Long-Covid-Folgen sie zu leiden hätte. Dabei hob sie ihr eindrückliches Plakat.

 

Die laute Masse hingegen brüllte die Frau nieder und machte sich über sie lustig. Auch die Anwohner der Straße empfingen die Gegner der Coronamaßnahmen mit kritischen Plakaten: „Man spaziert nicht mit Nazis“ oder „Lieber Nachdenken als Querdenken“ war dort an den Hauswänden zu lesen.

Rolle der Medien im Fokus

Mehr als die angekündigten 1000 Teilnehmenden waren am Samstagnachmittag gekommen, um vor dem SWR gegen die Pandemieberichterstattung in den Medien zu protestieren. „Wir ziehen vor die Medienhäuser, denn da sitzt das Virus“, war auf Bannern zu lesen und die Menge skandierte „Lügenpresse“ und weitere demokratie- und medienfeindliche Parolen. Ein Polizeisprecher sprach von einer „zunehmenden Steigerung des verbalen Aggressionsverhaltens“, das sich gleichermaßen gegen Polizisten und Medienschaffende richte. Wer „Lügenpresse“ ruft und behauptet, der SWR und andere Medien würden berichten, was ihnen „von oben“ gesagt wird, irrt.

„Gleichzeitig zu fordern, Medien sollten in ihrem Sinne berichten, ist absurd. Das offenbart wenig Verständnis dafür, wie unabhängige Medien arbeiten und funktionieren,“ sagte Markus Pfalzgraf, der Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV).

Verurteilung von Verdi

Auch Martin Gross, Landesbezirksleiter bei Verdi verurteilte die Aktion: „Wer unter so einem menschenverachtenden Motto direkt vor den Arbeitsplätzen von Medienschaffenden demonstrieren will, missbraucht das Demonstrationsrecht. Alle Grenzen werden eingerissen, wenn Journalistinnen und Journalisten diffamiert und bedroht werden.“ Vor dem SWR blieb es insgesamt friedlich.

Dennoch kam es beim Demostart auf dem P9-Parkplatz am Wasen zu den üblichen Provokationen seitens der Demonstranten gegenüber der Polizei. Obwohl der Versammlungsleiter immer wieder zum Tragen einer Maske aufrief, wurde dies von einigen ignoriert. Deshalb registrierte die Polizei zahlreiche Ordnungswidrigkeiten und in einem Fall kam es auch zu einer Anzeige wegen Widerstand gegen die Beamten. Ein weiterer Mann zeigte den Hitlergruß und wurde wegen Volksverhetzung angezeigt.

Vergleiche mit NS-Zeit

Nach dem Protest vor dem Funkhaus zog nur noch ein geringer Teil der Demonstranten noch einmal auf den Wasen, um bei der Abschlusskundgebung noch einmal die bekannten Argumente gegen die Coronapolitik auszutauschen. Eine mögliche Impfpflicht wurde von einer Teilnehmerin mit Maßnahmen während der NS-Zeit verglichen,. Ein Redner, ein ehemaliger Gastronom, sprach von einem Coronaregime und von Despoten, die man zum Rücktritt zwingen wolle. Ein Pfleger berichtete einerseits von den belastenden Zuständen in Krankenhäusern für das Pflegepersonal, sprach aber gleichzeitig von einer lang geplanten Agenda seitens des Staates, der hinter der Pandemie stecke.

Im Vorfeld war noch befürchtet worden, dass Personen mit extremistischen Motiven die Demo nutzen könnten, um verunsicherte Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Eine „spürbar wahrnehmbare Beeinflussung vor dieser Seite“ hätte es an diesem Samstag jedoch nicht gegeben, analysierte ein Polizeisprecher.