Omikron hin oder her - die Innenminister kommen in Stuttgart persönlich zusammen, um vertraulich zu reden. Wichtige Themen gibt es zu besprechen - etwa die Corona-Demos und die Radikalisierung im Netz.

Stuttgart - Die Innenminister von Bund und Ländern kommen trotz sehr hoher Infektionszahlen zum ersten Mal seit Sommer vergangenen Jahres wieder persönlich zusammen. Das Treffen an diesem Freitag in Stuttgart wird auch der erste Auftritt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der Runde der Ressortchefs sein. Beim traditionellen Kamingespräch soll es unter anderem um die zunehmenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und die Radikalisierung in sozialen Netzwerken wie Telegram gehen, wie der bisherige Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Thomas Strobl (CDU), der Deutschen Presse-Agentur sagte.

 

Im Rahmen des Treffens soll auch der IMK-Vorsitz von Baden-Württemberg an Bayern übergeben werden. Vor dem Treffen (09.30 Uhr) stellen sich Strobl, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der Sprecher der SPD-geführten Länder, Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD), und Faeser den Fragen der Presse.

Vertrauliche Gespräche beim traditionellen Kamingespräch

Die Innenminister von Bund und Ländern treffen sich in der Regel zweimal jährlich. Beim traditionellen Kamingespräch kommen sie im Rahmen der Konferenzen ohne ihre Delegationen zu vertraulichen Gesprächen zusammen. Die letzte Innenministerkonferenz im Dezember wurde wegen der Corona-Pandemie im hybriden Format abgehalten, das Kamingespräch fiel aus. Nun wird es nachgeholt.

„Der Kamin lebt vom persönlichen Austausch“, sagte Strobl dazu. „Da werden Themen identifiziert, die wir für wichtig halten, wo wir aber vielleicht noch politisch unterschiedlich ticken.“ Er betonte, die Innenminister seien unter dem Vorsitz Baden-Württembergs im vergangenen Jahr sehr gut vorangekommen beim Aufbau eines Bund-Länder-Kompetenzzentrums für Krisenmanagement, es sei weitgehend beschlossen. „Das werden die Bayern formvollendet vollenden.“

Teilweise befinden sich Rechtsextremisten unter den Corona-Demonstrierenden

Herrmann sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) mit Blick auf die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen: „Da muss man klar unterscheiden und darf nicht alle Protestierer in einen Topf werfen.“ Solange jemand nur gegen Einschränkungen oder gegen ein Übermaß an Bürokratie und staatliche Regularien protestiere, sei das absolut zulässig. „Diejenigen sind nicht automatisch Extremisten oder Verfassungsfeinde.“ Dennoch gebe es auch Rechtsextremisten unter den Teilnehmern, dies sei aber von Bundesland zu Bundesland verschieden.

Neben den Protesten stehen noch mehr als zwei Dutzend weitere Punkte am Freitag auf der Tagesordnung des Kamingesprächs, unter anderem Cybersicherheit, Migration und Polizeithemen. Die bundesweit wachsenden Proteste gegen die Corona-Maßnahmen und die Radikalisierung in den sozialen Medien stellen eine zunehmende Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. Faeser und die Innenminister der SPD-geführten Landesregierungen hatten nach einem Treffen am 19. Januar erklärt, sie wollten Apple und Google wegen Gewaltaufrufen und Hetze in Telegram-Gruppen auffordern, die App aus ihrem Angebot zu verbannen. Faeser sagte, sie wolle die beiden Anbieter für Apps auf mobilen Endgeräten an ihre „gesellschaftliche Verantwortung“ erinnern. Zur Aufklärung solcher Straftaten hat das BKA jetzt eine sogenannte Taskforce eingerichtet.

Messengerdienst massiv in der Kritik

In einer Antwort auf eine schriftliche Frage der digitalpolitischen Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion, Joana Cotar, teilte das Bundesinnenministerium diese Woche mit: „Die Bundesregierung steht mit den Unternehmen Apple und Google auf Arbeitsebene in regelmäßigem Kontakt wegen diverser Themen, zuletzt auch zur Thematik ‚Telegram’.“ Die Bundesregierung hat die beiden Unternehmen jedoch bisher den Angaben zufolge nicht dazu angehalten, gegen Telegram vorzugehen. Cotar sagte: „Dass eine Regierung einen kompletten Messengerdienst abschalten will, weil einzelne Nutzer gegen Gesetze verstoßen haben sollen, ist absolut unverhältnismäßig.“

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Auch die Migrationspolitik wird Thema sein bei dem Treffen. Pro Asyl und die Linksfraktion forderten eine rasche Umsetzung der von der Ampel-Koalition angekündigten Erleichterungen in Sachen Bleiberecht. Faeser müsse bei dem Treffen auf eine „Vorgriffsregelung bis zur gesetzlichen Umsetzung des Koalitionsvorhabens“ drängen, sagte Gökay Akbulut, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. „Es ist inakzeptabel, dass Menschen mit Duldung, die zum berechtigten Personenkreis der geplanten Regelung zählen und Chance auf einen sichereren Aufenthaltsstatus hätten, in der Zwischenzeit abgeschoben werden.“ Auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten antwortete das Bundesinnenministerium, es prüfe derzeit, wie das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag „zügig umgesetzt werden kann“ - die Zuständigkeit für die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht liegt bei den Ländern.