Landratsamt und Klinikverbund wollen Kapazitäten ausweiten und eine Noteinrichtung mit bis zu 400 Betten schaffen.

Sindelfingen - Toi, toi, toi, sagte der Böblinger Landrat Roland Bernhard. „Wir alle hoffen, dass wir das nicht brauchen, was wir jetzt planen.“ Das nämlich hat es in sich: In den Hallen der Sindelfinger Messe will er ein Notfallkrankenhaus einrichten lassen. In einem ersten Schritt sollen auf der 8000 Quadratmeter großen Fläche 130 Notbetten unterkommen. Bei Bedarf kann das später auf bis zu 400 Betten anwachsen.

 

Der Mietvertrag mit der Sindelfinger Messegesellschaft sei unterschriftsreif, sagte der Landrat bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Auch die Bestellungen für die Ausstattung der Notfallklinik sind vorbereitet. Der Landrat selbst ist in Verhandlungen mit Wolf-Dietrich Hammann, dem Amtschef des Landessozialministeriums. „Wenn aus dem Ministerium das Okay kommt, dann legen wir los“, kündigte Roland Bernhard an.

„Wenn die Krise kommt, brauchen wir mehr Betten

Er wolle für den Fall der Fälle vorbereitet sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Notfalleinrichtung jemals in Betrieb genommen werde müsse, schätzt der Landrat auf 20 Prozent. Derzeit braucht man sie noch nicht. Von den 1054 Krankenhaus-Betten im Kreis Böblingen sind derzeit nur 510 belegt. Der Klinikverbund Südwest, der die vier Häuser im Kreis betreibt, hatte schon vor Wochen alle planbaren Operation und Sprechstunden abgesagt und so die Stationen geräumt.

Landratsamt und Klinikverbund wollen aber auf einen möglichen Patientenansturm vorbereitet sein. Ein Szenario dabei ist der Zusammenbruch der Altenpflege. Schon jetzt nehmen einige Seniorenheime im Kreis keine neue Bewohner mehr auf.

„Es kann auch sein, dass das System der häuslichen Pflege nicht mehr funktioniert“, sagt Landrat Roland Bernhard. Das droht, wenn die ambulanten Pflegedienste keine Schutzausrüstung haben oder zu viele ihrer Mitarbeiter in Quarantäne müssen. Oder, wenn osteuropäische Pflegekräfte nicht mehr einreisen dürfen.

„Schon jetzt ist die Verlegung älterer Patienten ins Pflegeheim kaum mehr möglich, die Heime machen dicht“, berichtet auch Jörg Noetzel, der medizinische Geschäftsführer des Klinikverbunds. Die derzeit 500 leeren Betten in den Kreiskrankenhäusern seien ein „guter Puffer“, aber: „Wenn die Krise kommt, brauchen wir mehr Betten.“ Der Klinikchef drückt deshalb aufs Tempo. „Wenn die Zustimmung aus dem Sozialministerium kommt, müssen wir voran kommen.“

Keine Spezial-Corona-Klinik

Patienten mit leichteren Erkrankungen sollen dann später in die Messehallen verlegt werden. Eine Einrichtung „zwischen Akutversorgung und Nachversorgung“, nennt es der Arzt Jörg Noetzel und verspricht: „Die Krankenhauskompetenz bleibt auch im Krankenhaus.“ Eine Spezial-Corona-Klinik mit vielen Beatmungsbetten solle nicht entstehen.

Die Hauptherausforderung wird indes sein, genügend Personal zu finden. Hier setzen Landratsamt und Klinikverbund auch auf den Kreisverband des Roten Kreuzes. Dort ist man bereits auf der Suche nach Helfern. Hauptamtliche könne man von den Rettungsdiensten und den Seniorenheimen nicht abziehen, sagt DRK-Pressesprecher Wolfgang Heubach. „Wir werden rund 50 Ehrenamtliche für Assistenzdienste stellen.“ Derzeit laufen schon die Abfragen in den 24 Ortsvereinen. Der Kreisverband ruft auch Ruheständler mit einer medizinischen oder pflegerischen Ausbildung und frühere Sanitätssoldaten auf, sich zu melden. Heubach ist optimistisch, dass das klappt. „Wir haben einen Stamm von 1800 gut ausgebildeten, ehrenamtlichen Helfern, auf die wir uns verlassen können“, sagt er.

Eine „win-win-Situation“

Ralph Hohenstein, der Geschäftsführer der Sindelfinger Messe bezeichnet es als Win-Win-Situation, wenn seine Hallen als Notkrankenhaus dienen. „Ich habe das dem Landrat schriftlich angeboten“, sagt er. Seine Firma ist derzeit massiv von der Krise betroffen, weil alle Messen bis auf weiteres abgesagt sind.

68 an Covid-19 erkrankte Patienten werden derzeit in den Krankenhäusern des Kreises Böblingen behandelt. 18 davon müssen beatmet werden. „Diese Zahlen sind erfreulicherweise stabil“, sagt Klinik-Chef Jörg Noetzel. „Das Social Distancing scheint zu wirken. Entwarnung könne wir aber noch lange nicht geben.“