Die Behörden agieren bei den Corona-Zahlen höchst unterschiedlich – zum Verdruss mancher Bürger.

Kreis Böblingen - In Hemmingen haben vier Menschen die Bestätigung, an Covid-19 erkrankt zu sein, in Affalterbach zwei und in Hessigheim noch gar niemand. Am Donnerstag vor einer Woche waren diese Zahlen im Ludwigsburg-Teil unserer Zeitung zu lesen, ergänzt von einer Tabelle mit der Statistik zu jeder Kommune im Kreis Ludwigsburg. Leser meldeten sich daraufhin bei uns mit der Bitte, auch Zahlen der Kommunen im Kreis Böblingen zu recherchieren. Die Zahlen aber sind nicht in Erfahrung zu bringen.

 

Das Landratsamt Böblingen nennt zwar täglich die Gesamtzahl der Erkrankten, aber nicht die genaue Zahl für die einzelnen Städte und Gemeinden. „So verfahren wir seit Beginn der Pandemie“, erklärt ein Sprecher des Landratsamts auf Nachfrage. Das habe aber einen Grund: Man wolle die Erkrankten bestmöglich schützen: „Gerade in kleineren Kommunen könnte man umso einfacher Rückschlüsse auf die Betroffenen ziehen, je mehr Daten öffentlich sind.“

Mehr Transparenz

Die Nachbarlandkreise verfahren anders. In Calw hat das Landratsamt von Anbeginn der Pandemie eine Tabelle mit Zahlen zu jeder Gemeinde verschickt. Im Enzkreis tat man das mit mit Verweis auf den Datenschutz zunächst nicht, hat diese Praxis aber geändert, als die Zahlen so stark angestiegen sind, dass – aus Sicht des Enzkreises – eine Rückverfolgung ohnehin nicht mehr möglich gewesen wäre. Jeden Abend verschickt die Pressestelle des dortigen Landratsamts eine Tabelle, in der die Erkrankten in den Kommunen aufgeführt sind – normalerweise. Zurzeit stelle man das Verfahren um, deshalb sind gemeindescharfe Daten erst wieder von Montag an verfügbar, sagt der Enzkreis-Sprecher.

Eine landesweite Regelung mit dem Umgang der Daten gibt es nicht, teilt ein Sprecher des Sozialministeriums in Stuttgart auf Nachfrage mit.

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Einen Einfluss auf das Verhalten sollten die Zahlen aber ohnehin nicht haben, sagt der Sprecher des Böblinger Landratsamts. „Bürger sollten sich derzeit generell vorsichtig verhalten und sich an die Vorgaben der Behörden und des Robert-Koch-Instituts und der Behörden halten – unabhängig von konkreten und sehr schwankenden Zahlen.“ 692 sind, laut den Zahlen vom Donnerstag, im Kreis Böblingen an Covid-19 erkrankt. Elf Menschen sind daran gestorben, 44 Personen gelten als geheilt. Im Enzkreis und Pforzheim sind 208 Menschen erkrankt, vier gestorben und 76 genesen.

Die Kurve der Infizierten steigt steil an

In beiden Landkreisen gilt indes: Die Kurve der Infizierten steigt steil an. „Das liegt an der Dynamik der Erkrankung“, erläutert Brigitte Joggerst, die Leiterin des Gesundheitsamts im Enzkreis. „Oft handelt es sich um mehrköpfige Familien, die sowieso schon in Quarantäne sind. Sie konnten daher das Virus kaum nach draußen weitergeben.“ Aber erst, wenn die Familienmitglieder Symptome zeigen, gelten sie als erkrankt – so kann sich die offizielle Zahl der Infizierten in einer Gemeinde praktisch über Nacht von 1 auf 4 oder 5 erhöhen. „In unserer Übersicht erscheinen die Fälle erst, wenn klar ist, dass sie auch erkrankt sind – alles andere wäre unseriös“, sagt die Ärztin.

Das Virus selbst breitet sich zudem exponentiell aus. Ein Infizierter etwa steckt statistisch gesehen drei andere an, diese drei dann wiederum neun, daraus werden 27 und binnen weniger Wochen schon mehr als 100.

„Lauter kleine Feuer austreten“

Auch deshalb habe man von Anfang an viel Energie und Personal investiert, um viele Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln und in Quarantäne zu schicken. „Das ist, als würde man lauter kleine Feuer austreten“, sagt Isabel Maubach vom Enzkreis-Gesundheitsamt. „Jedes dieser Feuerchen kann sich zum Flächenbrand entwickeln – das wollen wir unbedingt verhindern.“ Ob die Taktik aufgeht, wird sich erst in einigen Wochen zeigen. „Aber immerhin haben wir offensichtlich etwas Zeit gewonnen“, betont Amtsärztin Brigitte Joggerst. Das sei entscheidend, damit vor allem die Krankenhäuser nicht überfordert würden.