Noch ist die Impfkampagne in vollem Schwung, da beginnt schon die Debatte, wie dauerhaft der Schutz ist – und wie wirksam gegen Mutationen. Manche fordern eine Auffrischung schon im Herbst.

Berlin - In Deutschland nimmt die Impfkampagne gegen das Coronavirus immer mehr Fahrt auf. Zu Wochenbeginn hatten 37 Prozent der Bürger (rund 30,7 Millionen) mindestens eine Impfung erhalten. Über elf Prozent genießen den vollen Impfschutz. Im Schnitt werden derzeit täglich 690 000 Menschen geimpft. Experten rechnen damit, dass das Impfziel von 70 Prozent der Bevölkerung Anfang September erreicht werden kann.

 

Mitten in der laufenden Kampagne taucht nun ein neues Thema auf: die Frage nämlich, ob der Schutz durch die Impfung dauerhaft ausreichend ist oder ob Auffrischungsimpfungen notwendig sein werden. Dafür könnte es zwei Gründe geben: Erstens könnte einfach die Wirkung des Vakzins mit der Zeit nachlassen. Zweitens könnten neu auftretende Virusmutationen eine Anpassung des Impfstoffs notwendig machen. Wir beantworten zu dem Thema die wichtigsten Fragen:

Was sagen das RKI und STIKO zur Impfauffrischung?

Nicht viel. Das liegt daran, dass es einfach noch zu wenig Erkenntnisse aus den laufenden Impfungen gibt. Seit Ende Februar steht auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Frage von Auffrischungsimpfungen dieselbe Antwort: „Für die Covid-19-Impfstoffe liegen aktuell noch keine Daten vor, ob und in welchem Zeitabstand eine Auffrischimpfung notwendig sein wird.“ Das hänge von vielen Faktoren ab. Wie lange der Impfschutz anhalte, sei „derzeit noch nicht bekannt“. Immerhin gibt das RKI den Hinweis, dass bei vielen Impfungen empfohlen wird, nach einem bestimmten Zeitintervall eine „Auffrischimpfung zum Erhalt des Impfschutzes“ durchzuführen. Auch der Vorsitzende der Impfkommission, Thomas Mertens, sagte unserer Zeitung: „Im Augenblick gibt es keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage für die Beantwortung der Frage, wann eine Auffrischimpfung notwendig sein könnte.“

Welche Rolle spielen die Mutationen?

Zur Verbreitung der Mutationen in Deutschland hat das RKI vergangene Woche einen ausführlichen Bericht erstellt. Die britische Virusvariante B.1.1.7 ist demnach mit knapp über 90 Prozent die mit Abstand häufigste Virusform in Deutschland. Die Varianten aus Südafrika und Brasilien zeigten in den vergangenen Wochen einen konstanten Anteil von um die ein Prozent. Der Anteil der indischen Variante ist noch geringer, steigt allerdings an. Das RKI geht davon aus, „dass die verfügbaren Impfstoffe auch gegen die neuen Linien wirksam sind“.

Helfen Impfstoffe gegen Mutationen?

Für die nun bei uns dominierende britische Mutation seien „die Auswirkungen auf die Effektivität der Impfstoffe als gering bis mäßig einzuschätzen“. Die bisher seltenen Varianten aus Brasilien und Südafrika könnten „vermutlich die Wirksamkeit der Impfstoffe deutlicher reduzieren“. Das RKI beruhigt weiter: „Sollte die Wirksamkeit der Impfstoffe jedoch durch weitere Mutationen der hier zirkulierenden Viren erheblich absinken, wäre es den Impfstoffherstellern möglich, die verfügbaren Impfstoffe innerhalb weniger Wochen entsprechend anzupassen.“ Tatsächlich versucht man in den Laboren der Hersteller den Impfstoff weiterzuentwickeln. Vor allem die sogenannten mRNA-Vakzine sind dafür offenbar gut geeignet.

Warum kommt die Debatte jetzt?

Einige prominente Äußerungen haben die Diskussion angefacht. Der Pfizer-Chef Albert Bourla glaubt, dass wahrscheinlich eine dritte Dosis binnen sechs bis zwölf Monaten nötig sei. Auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach hat sich geäußert. Er will „mit angepasstem Impfstoff“ sogar schon früher beginnen, wenn sich in Deutschland Mutationen verbreiten, gegen die die aktuellen Impfstoffe weniger wirksam wären. Die Debatte befeuert hat wohl auch eine Bemerkung des Virologen Christian Drosten, der angeregt hat, dass im Herbst bestimmte Gruppen in Abhängigkeit von Alter und Risiko nachgeimpft werden sollten.

Gäbe es überhaupt genügend Impfstoff für Nachimpfungen?

Ja, die Impfstoffmengen wären wohl für eine bloße Auffrischung ausreichend. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, dass sich Deutschland schon ab 2022 selbst mit Impfstoff aus eigenen Produktionsstätten versorgen kann. Die EU hat gerade angekündigt, bis zu 1,8 Milliarden weiterer Impfdosen von Biontech/Pfizer anzukaufen. Damit sollen bis 2023 die 80 Millionen Kinder in der EU geimpft werden und Erwachsene Nachimpfungen erhalten können. Der Auftrag hat ein Volumen von 35 Milliarden Euro. Weitere Verträge sollen zeitnah folgen.

Wie würden Nachimpfungen laufen?

Ziemlich sicher nicht mehr in den Impfzentren, sondern über die Haus- und Betriebsärzte. Viele Bundesländer wollen ihre Impfzentren sogar im Laufe des Sommers endgültig schließen.