Oberarm freimachen! Das große Impfen im Südwesten hat begonnen. Vor dem Land liegt eine historische Mammutaufgabe. Die erste Spritze beim offiziellen Auftakt erhält eine junge Frau, die seit Monaten an vorderster Front gegen das Virus kämpft.

Stuttgart - Elf Monate nach Bekanntwerden einer ersten Corona-Infektion in Deutschland haben die Impfungen gegen das gefährliche Virus auch im Südwesten begonnen. Am Sonntag wurden landesweit Menschen über 80 sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal geimpft. Die Impfzentren nahmen ihren Betrieb auf, mobile Teams fuhren zudem Pflege- und Seniorenheime ab.

 

Lesen Sie hier: Diese Stuttgarter Pflegerin bekam eine der ersten Spritzen

„Das ist der Beginn vom Ende der Pandemie“, kommentierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Impfstart beim offiziellen Auftakt in der Stuttgarter Liederhalle. Dort erhielt die 30 Jahre alte Krankenpflegerin Christine Helbig die erste Spritze im Beisein von Dutzenden Vertretern aus Politik, Medien und Medizin. Helbig arbeitet seit Monaten im Stuttgarter Klinikum auf einer Isolationsstation mit Covid-19-Patienten.

Das große Impfen hat begonnen

Allein im Impfzentrum in der Liederhalle sollten über den Nachmittag 500 Menschen geimpft werden. Die ersten Dosen des Impfstoffs trafen am Morgen im Klinikum Stuttgart ein und wurden in der Krankenhausapotheke aufbereitet und aufgetaut.

Dass nun das Impfen begonnen habe, belege auch, zu was die Gesellschaft fähig sei, sagte Kretschmann. Der Tag sei der hoffnungsvolle Abschluss eines Jahres, das die Menschen an ihre Grenzen gebracht habe. Der Impfstoff sei der Schlüssel für ersehnte Rückkehr zum gewohnten Leben, sagte Kretschmann – auch wenn man weiter geduldig bleiben müsse.

Aus unserem Plus-Angebot: Impfbeginn gegen Corona in Stuttgart: Große Hoffnung in kleinen Dosen

Der Grünen-Politiker appellierte erneut an die Impfbereitschaft der Bevölkerung. „Der Impfstoff ist sicher und wirksam“, warb er. Es könne höchstens zu leichten Nebenwirkungen kommen, die aber nicht gefährlich seien. „Mit jeder Impfung wird das Virus weniger gut zirkulieren können“, sagte Kretschmann.

Wer zuerst geimpft wird

Um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich etwa 70 Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Jeder, der sich nicht impfen lassen wolle, müsse die Folgen für die Gesellschaft bedenken, sagte Kretschmann weiter. Die einzige Alternative sei eine Durchseuchung mit vielen Toten, warnte er. „Ich werde mich selbst impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin.“

Die höchste Priorität in der Impfrangfolge haben zunächst Ältere über 80 Jahre und Pflegeheimbewohner sowie Personal auf Intensivstationen und in Notaufnahmen. Danach kommen Ältere über 70 oder etwa Menschen mit Demenz oder Transplantationspatienten. Dann folgen Bürger, die älter sind als 60, medizinisch vorbelastete Menschen, Polizei und Feuerwehr, Personal in Kitas, Schulen und im Einzelhandel.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wird der Impfstoff in Baden-Württemberg nicht über ein zentrales Lager verteilt, sondern direkt in die zentralen Impfzentren geliefert. In einer ersten Charge gingen am Wochenende 9750 Dosen an das Land. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) äußerte am Sonntag Bedauern darüber, dass man noch nicht so viel Impfstoff geliefert bekommen habe, wie man eigentlich spritzen könnte. Das Land verfüge über die notwendige Infrastruktur, habe etwa genug Kanülen und Spritzen besorgt.

Aufklärung über die Impfung

Neben den zentralen Impfzentren (ZIZ) in Ulm, Tübingen, Heidelberg, Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe, Offenburg, Rot am See und Mannheim sollen ab Mitte Januar in den Stadt- und Landkreisen rund 50 Kreisimpfzentren (KIZ) bereit stehen. Im Laufe des Jahres 2021 wird es die Impfung dann beim Hausarzt geben. Wer die freiwillige Impfung erhalten möchte, muss sich dazu über die Telefonnummer 116 117 oder online über die Webseite www.impfterminservice.de anmelden. Die Impfung soll in zwei Dosen im Abstand von rund drei Wochen erfolgen, man bekommt deshalb zwei Impftermine zugeteilt.

Im Impfzentrum wird zunächst allgemein über die Impfung aufgeklärt, es folgt eine individuelle Aufklärung durch einen Arzt, etwa zu Risiken durch Allergien oder Vorerkrankungen. Erst dann geht es zur Impfung. Nach dem Pikser in den Arm soll man noch für eine 30-minütige Beobachtung dableiben. Die Impfzentren sind sieben Tage die Woche geöffnet. Nach einem Lieferplan des Mainzer Unternehmens Biontech sollen ab Ende Dezember 87 750 Dosen des Corona-Impfstoffs pro Woche in den Südwesten geliefert werden. Die Liefermenge richtet sich nach der Zahl der Einwohner des Bundeslandes.

Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen in Baden-Württemberg stieg nach Angaben von Sonntag (Stand 14.00) innerhalb eines Tages um 1136 Fälle. Der Sieben-Tage-Wert für die Neuinfektionen je 100 000 Einwohner beträgt für das ganze Land derzeit 152,6 - deutlich weniger als in den vergangenen Tagen. Da das Robert Koch-Institut während der Feiertage aber mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete, sind diese Zahlen nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar.