Frieder Bolay pflanzt in Zeiten von Corona Bäume, bastelt Bienenhotels und stöbert in der Familienchronik.

Rutesheim - Was macht der Geschäftsführer eines Familienunternehmens, wenn durch die Corona-Pandemie plötzlichen weniger Termine anfallen? Er erinnert sich daran, dass der württembergische Herzog in Zeiten der Not das Anpflanzen von Obstbäumen gefördert hat – und pflanzt mehrere Obstbäume. Dazu zimmert er auch gleich ein Drei-Sterne-Wildbienenhotel. Oder er stellt gemeinsam mit seiner Tochter Basteltipps für Familien ins Internet.

 

Das hat Frieder Bolay bisher, unter andrem, auch getan – und zudem in der langen Familienchronik nachgeblättert, ob es denn in Rutesheim schon einmal etwas Vergleichbares gegeben hat.

Im Jahr 1534 hat sich Herzog Ulrich von Württemberg der Reformation angeschlossen und damit wurde Rutesheim evangelisch. Seitdem werden die Kirchenbücher geführt. Darin wurden alle Taufen und Beerdigungen aufgezeichnet.

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Im Jahre 1634 hatte Rutesheim ungefähr 600 Einwohner. Dann kamen die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in die Gegend und mit ihm auch die Pest. Aufzeichnungen davon sind im Rutesheimer Heimatbuch von 1970 nachzulesen. „Allein vom 13. Juli bis 28. November 1635 wurden 175 Tote begraben. 1636 starben 40 Personen, 1637 waren es 34, 1638 schon 71 und 1639 nochmals 25 Tote, zusammen also 345 Tote in fünf Jahren.“

In dieser Zeit gab es zwar auch 30 Geburten, aber die Bevölkerungszahl schrumpfte auf weniger als 300 Personen.

Da wurde keine Familie verschont, da gab es Tote in allen Altersgruppen. Medikamente gab es nicht, vom Erreger der Krankheit wusste man noch nichts.

Die Pest verbreitete sich in Europa

Man glaubte, dass die Endzeit angebrochen sei. Und nicht nur die Pest grassierte. Söldnertruppen zogen durchs Land, verwüsteten, plünderten und verbreiteten die Pesterreger in ganz Europa. In einem Jahr wurde berichtet, dass es 48 Hungertote gab. Die Nahrungsvorräte wurden von den Plünderern mitgenommen. Danach gab es nichts mehr zu essen.

Auch die Pfarrer blieben nicht verschont. Von 1625 bis 1635 war Friedrich Pyser Pfarrer. Vermutlich starb auch er im großen Pestjahr. Danach kam Wolfgang Erhardi, er war bis 1638 Pfarrer, dem Jahr als weitere 71 Menschen starben, vermutlich auch er.

„Der Stammbaum der Familie Bolay geht bis ins Jahr 1534 zurück, also dem Beginn der Aufzeichnungen“, sagt Frieder Bolay. Konrad Bolay ist der erste in der aufgezeichneten Ahnenreihe, er lebte von etwa 1530 bis 1590. Dessen Urenkel Hans Friedrich wurde 1621 geboren, er heiratete 1647 eine Anna Rueff in Eglosheim, das heute zu Ludwigsburg gehört.

„Vermutlich gab es nach den großen Verlustjahren in Rutesheim nicht mehr die Auswahl an Bräuten, viele Häuser und Anwesen lagen brach, sodass es ihn aus dieser Trostlosigkeit wegzog“, vermutet sein heutiger Nachkomme. Erst dessen Enkel Johann Michael, der 1685 geboren wurde, kam wieder zurück nach Rutesheim, wahrscheinlich gab es hier noch verwandtschaftliche Beziehungen oder ein Erbe. „Seitdem sind aus der direkten Linie alle Bolays in Rutesheim geblieben“, ist Frieder Bolay stolz auf die Ortsverbundenheit seiner Familie.