Corona-Kommunikation Werbekampagne schürt unnötigen Argwohn

Michael Ballweg führt die Initiative Querdenken711. Foto: Lichtgut/Rettig

Die Agentur Scholz & Friends betreut die Corona-Kommunikation für das Bundesgesundheitsministerium. Der Auftrag lässt Kritiker fürchten, die Regierung plane für vier Jahre Krise. Doch das ist ein Missverständnis.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Werbeagentur Scholz & Friends hat Baden-Württemberg einiges zu verdanken. Von ihr stammt der legendäre Slogan für die Imagekampagne des Landes: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ Zwanzig Jahre ist das inzwischen her und gilt noch immer als die erfolgreichste deutsche Länderwerbung.

 

Nun, in der Corona-Krise, verbreitet Scholz & Friends wieder einmal eine Wir-Botschaft – und gerät damit ins Visier von Kritikern der Corona-Bekämpfung aus dem Südwesten. „Wir bleiben zuhause“ heißt das Schlagwort einer bundesweiten Kampagne, die die Berliner Agentur im Auftrag des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) entwickelte. Auf allen Kanälen soll sie die Bevölkerung über die Gefahren des Virus aufklären und für Schutzmaßnahmen werben. Der TV-Talkmaster Günther Jauch und andere Prominente ließen sich dazu ablichten, wie sie mit den Händen ein Dach über dem Kopf formen. In wenigen Tagen habe die Kampagne „eine Milliardenreichweite erzielt und eine beispiellose Unterstützung erfahren“, jubelt man bei Scholz & Friends.

Appell an die Agentur-Mitarbeiter

Just in Stuttgart aber wurde die Agentur damit zur Zielscheibe der „Querdenken711“-Initiative um den IT-Unternehmer Michael Ballweg. Sie hält – kurz gesagt – die Virusgefahr für aufgebauscht und die Gegenmaßnahmen für übertrieben, beklagt den Eingriff in Grundrechte und fordert Neuwahlen im Herbst. Bei der bisher größten Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern vorigen Samstag auf dem Cannstatter Wasen knöpfte sich Ballweg auch Scholz & Friends namentlich vor. „Regierungspropaganda“ sei es, was die Agentur betreibe, wetterte er unter dem Beifall der Zuhörer. Man bitte alle Mitarbeiter „eindringlich“, diese „nicht weiter zu unterstützen“. Sie sollten ihr Knowhow besser „zum Schutz der deutschen Bevölkerung einsetzen“.

Misstrauisch hatte Ballweg besonders eine Auskunft gemacht, die das Bundesgesundheitsministerium auf der Plattform „Frag den Staat“ gegeben hatte. Scholz & Friends, referierte er, habe demnach einen Auftrag über 22 Millionen Euro für vier Jahre erhalten. „Warum ist schon jetzt abzusehen oder soll abzusehen sein, dass so eine Krise vier Jahre dauern soll?“, fragte er. Viele Zuhörer bestätigte das wohl in ihrer Sorge, dass dunkle Mächte die Bürger unnötig knechten wollten.

Der Befürchtung liegt offenbar ein Missverständnis zugrunde – das freilich zeigt, woraus sich Verschwörungstheorien speisen. Weder sei schon jetzt Corona-Kommunikation für die nächsten vier Jahre geplant, noch habe man dafür 22 Millionen Euro vorgesehen, sagt ein Sprecher des Spahn-Ressorts. Die gesamte Kommunikationsstrategie des Ministeriums sei 2020, wie seit Jahren, europaweit ausgeschrieben worden. „Gesundheit und Krankheit sind für jeden von existenzieller Bedeutung“, hieß es im Text. „Das Themenfeld ist daher hoch emotional und nicht immer von rein rationalen Diskussionen geprägt.“ Es sei eine der „schwierigsten Herausforderungen“ für die Öffentlichkeitsarbeit, die oft konfliktträchtige Gesundheitspolitik zu vermitteln. Bewerben sollten sich Agenturen auch mit zwei Arbeitsproben. Eine davon: Aufklärung zu Infektionskrankheiten mit dem Ziel, „spezielle Hygiene-Themen zu adressieren, um eine Bewusstseins- und Verhaltensänderung bei den Menschen herbeizuführen“.

„Hoch emotional, nicht immer rational“

Die Agentur Scholz & Friends samt zwei Partnern überzeugte mit ihrem Konzept und erhielt den Zuschlag – zunächst allerdings nur für ein Jahr. Auf Wunsch des Ministeriums, so der Sprecher, könnten daraus bis zu vier Jahre werden. Nur bei dieser maximalen Laufzeit liege der geschätzte Auftragswert von 5,5 Millionen Euro im Jahr insgesamt bei 22 Millionen Euro. Es gehe auch nicht nur um Corona, sondern um „alle Themen“ der Gesundheitspolitik. Mit der bisherigen Kampagne ist das Ministerium rundum zufrieden. Ziel sei es, Verständnis für die Maßnahmen gegen die Pandemie zu wecken: die Menschen sollten diese nicht nur akzeptieren, sondern aktiv unterstützen. Diese Ziele seien „vollständig erreicht“ worden.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Friends Jens Spahn Exklusiv Video